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„Es wird Raum für Neues entstehen“

Daniel Nöbauer, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater

„Es wird Raum für Neues entstehen“

Daniel Nöbauer, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater

Durch die staatliche Hilfsmaßnahmen sind die Insolvenzanträge stark zurückgegangen. Doch was passiert, wenn der Staat den Unternehmen nicht mehr unter die Arme greift? Wirtschaftsprüfer und Steuerberater Daniel Nöbauer erklärt, warum er nicht mit einer plötzlichen Pleitewelle rechnet, es in den nächsten Jahren aber trotzdem immer schwieriger werden wird, Geld zu verdienen.

Sie sind als Steuerberater ganz nah dran an den Tiroler Unternehmen. Wie würden Sie die derzeitige Stimmung in der Tiroler Wirtschaft beschreiben?

DANIEL NÖBAUER: Zwiegespalten: Es gibt auf der einen Seite Firmen, die eine sehr gute Auftragslage haben, und auf der anderen ganze Branchen, wie den Tourismus und die Eventbranche, in der eine ganz schlechte Stimmung herrscht, vor allem weil es hier keine Planungssicherheit gibt. Man kann nicht generell sagen, dass die Covid-19-Pandemie schlecht für alle Betriebe war, auch wenn diese Krise alle in den nächsten Jahren noch sehr beschäftigen wird.

Manche Unternehmen sind wirklich gut durch die Krise gekommen, haben von ihr sogar profitiert oder konnten sich aufgrund der veränderten Situation neue Geschäftsfelder und Märkte erschließen. Besonders erfreulich ist, dass es auch in dieser Zeit sehr viele Gründungen gegeben hat, die mit innovativen Geschäftsideen gegen die Auswirkungen der Krise angehen. Man sieht, dass eine Krise immer auch eine Chance ist, aber eben nicht für alle Unternehmen in gleicher Form.

Im gesamten Jahr 2020 gab es laut Zahlen des KSV1870 aufgrund der staatlichen Intervention mehr als 40 Prozent weniger Insolvenzen als im Vorjahr. Werden wir nach Ende der Coronahilfsmaßnahmen eine Pleitewelle erleben?

Ja, wir werden mehr Insolvenzen erleben, man muss aber vorsichtig mit der Terminologie sein. Wenn ich in einem Jahr normalerweise 100 Insolvenzen habe und dann aufgrund der Hilfsmaßnahmen nur 60 Insolvenzen, die im nächsten Jahr wieder dazukommen, wirkt es so, als gäbe es eine Pleitewelle. Eigentlich ist es nur ein Aufholen. Im Schnitt bleibt die Zahl der Insolvenzen gleich. Ich habe da ein bisschen Bedenken, wenn man sagt, dass dann 2021/22 die große Pleitewelle kommt. Bei den vermehrten Insolvenzen handelt es sich dann einfach um Firmen, die durch die Hilfsmaßnahmen künstlich am Leben erhalten wurden, obwohl es besser gewesen wäre, sie in Insolvenz gehen zu lassen.

Angenommen die Tiroler Wirtschaft übersteht die nächsten beiden Jahre mit wenig Insolvenzen, sind wir dann schon über dem Berg?

Nein, die Insolvenzen werden in den nächsten Jahren schrittweise zunehmen, wenn die Auswirkungen dieser Krise wirklich in allen Branchen und nicht nur denen, die jetzt direkt betroffen sind, an den Tag treten. Es wird in den nächsten Jahren einfach schwieriger werden Geld zu verdienen, da die Wirtschaftsleistung im Ganzen zurückgehen wird. Dieser Prozess wird sich aber schleichend vollziehen. Vor der Krise hatten wir Hochkonjunktur, die in Tirol eigentlich nur gebremst wurde, weil in vielen Fällen keine qualifizierten Fachkräfte mehr gefunden werden konnten. Jetzt werden wir erleben, dass das gesamte Volumen der Wirtschaftsleistung schrittweise weniger wird. Menschen haben weniger Geld, um zu konsumieren, Unternehmen weniger Ressourcen, um zu investieren.

Experten warnen vor Zombiefirmen – Unternehmen, die nur mehr aufgrund der staatlichen Hilfen überleben können. Warum ist es gefährlich, solche Betriebe künstlich am Leben zu erhalten?

Bei Zombiefirmen handelt es sich um Unternehmen, die eigentlich schon insolvent sind, aber durch staatliche Maßnahmen am Leben erhalten werden. Diese Firmen machen leider den Markt kaputt, weil sie nur über den billigeren Preis mit anderen Unternehmen konkurrieren können. Wenn es zu viele solcher Firmen gibt, dann kann das den ganzen Markt gefährden, weil es keinen fairen Wettbewerb mehr gibt und es zu einem Preisverfall für alle Unternehmen kommt. Das ist vor allem gefährlich, wenn sich die Wirtschaft nach der Coronakrise wieder erholen soll. Das ist nur möglich, wenn funktionierende Unternehmen ihre Waren und Dienstleistungen zu einem fairen und guten Preis verkaufen können.

Welche Branchen und Unternehmensformen werden in Tirol Ihrer Meinung nach besonders stark von Insolvenzen betroffen sein?

Am gefährdetsten sind für mich Kleinunternehmer, die rein von ihrer eigenen Arbeitsleistung abhängig sind. Viele können aufgrund der derzeitigen Situation kein Geld verdienen. Wenn dieser Unternehmer hohe Fixkosten hat, weil er zum Beispiel gerade ein Haus gekauft hat, dann wird es sicher sehr schwer werden, da er wenig bis keine Reserven hat.

Bei den Branchen sind vor allem der Tourismus, die Gastronomie, Reisebüros und die Veranstaltungsbranche betroffen. Eben genau die Branchen, die am stärksten unter den derzeitigen Lockdownmaßnahmen leiden. In weiterer Folge werden aber auch andere Branchen unter den Auswirkungen leiden. In Tirol hängt einfach sehr viel mit dem Tourismus zusammen.

Die Bundesregierung hat beschlossen, die Stundungen von Steuern und Abgaben bis zum
30. Juni 2021 zu verlängern, und danach die Möglichkeit auf Ratenzahlung geschaffen, um diese Rückstande zurückzuzahlen. Wie bewerten Sie diese neue Regelung?

Ich persönlich glaube, dass diese Regelung noch einmal verlängert wird. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie schon im Sommer 2021 auslaufen wird. Sicher, irgendwann müssen die Stundungen auslaufen und dann sind die Ratenzahlungen ein ganz wichtiges Instrument, denn bei vielen Firmen geht es hier schon um richtig viel Geld. Auch wir haben unseren Kunden am Anfang der Krise geraten zu stunden. Im Sommer haben wir sie dann über die Rückstände informiert, denn sie müssen ja irgendwann bezahlt werden. Deshalb habe ich auch all unseren Kunden geraten, die Rückstände so früh wie möglich abzubauen.

Meine Befürchtung ist aber, dass viele Unternehmen bis zum Ende stunden werden, weil sie sonst nicht überleben können. Somit stehen sie dann vor einer nicht mehr zu bewältigenden Aufgabe, wenn die gestundeten Rückstände fällig werden.

Wie lange machen staatliche Hilfsmaßnahmen Sinn? Ab welchem Zeitpunkt sollte der Staat dem Markt wieder freien Lauf lassen, um sich selbst zu regulieren?

Das ist eine ganz schwierige Frage. Es gibt hier Parallelen zur Medizin. Hier muss man sich auch fragen, wann nehme ich jemanden von der künstlichen Beatmung. Das ist eine schwierige Frage.

Ich glaube, dass wir jetzt in Österreich einen guten Mix aus Maßnahmen gefunden haben. In Zukunft wird man die Maßnahmen sicher noch branchenspezifischer gestalten müssen. Gerade der Tourismus und die Eventbranche werden noch länger Unterstützung brauchen. Branchen, in denen ohne Einschränkungen gearbeitet werden kann, sollten aber so schnell wie möglich wieder in den Normalbetrieb zurückkehren.

Kann die Krise auch eine Chance sein, wenn Unternehmen, die nicht mehr zeitgemäß wirtschaften, verschwinden, und neuen und agileren Betrieben den Raum geben, sich zu entfalten?

Ja und nicht nur das. Es gibt auch genug Unternehmen, die vor der Krise nicht gut aufgestellt waren und sich während der Krise, als sie etwas Luft und Zeit hatten, gut für die Zukunft gerüstet haben und jetzt besser dastehen als zuvor. Für einige Unternehmen, die davor gerade so über die Runden gekommen sind, ist die Krise jetzt auch die Möglichkeit sich einzugestehen, dass das Einstellen der Geschäftstätigkeit unumgänglich ist, ohne sich dafür schämen zu müssen. So wird Raum für Neues entstehen.

  • Mit 14,5 Prozent Anteil an der Bruttowertschöpfung sind Tourismus und Gastronomie der zweitwichtigste Wirtschaftsbereich in Tirol. Der derzeitige Stillstand hat langfristig Auswirkungen auf viele andere Branchen.
  • Das Wirtschaftsforschungsinstitut rechnet für das Jahr 2021 mit einem Wachstum zwischen 1,5 und 2,3 Prozent.
  • Durch die staatlichen Hilfsmaßnahmen ist das Budgetdefizit auf 8,9 Prozent des BIP gestiegen.

Zur Person

Daniel Nöbauer ist Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger. Er ist geschäftsführender Gesellschafter bei der Steuerberatungskanzlei augustin+ nöbauer+partner, die zur international agierenden FIDAS Gruppe gehört.

17. April 2021 | AutorIn: Daniel Schreier | Foto: Axel Springer/Shutterstock

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