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Karrieresprungbrett mit Imageproblem

Mario Gerber, Obmann Sparte Tourismus und Freizeitwirtschaft Wirtschaftskammer Tirol

Karrieresprungbrett mit Imageproblem

Mario Gerber, Obmann Sparte Tourismus und Freizeitwirtschaft Wirtschaftskammer Tirol

Mit den Öffnungsschritten ist auch der Startschuss für den Reboot im Tourismus gefallen. Das eröffnet viele interessante Karriere-Möglichkeiten. Jedoch stolpert die Branche, die ohnehin mit dem Fachkräftemangel zu kämpfen hat, über ihren eigenen Schatten – in vielen Aspekten zu unrecht, wie Mario Gerber, Obmann der Sparte Tourismus und Freizeitwirtschaft der Wirtschaftskammer Tirol erklärt.

Herr Gerber, wie steht es aktuell um den Tiroler Tourismus?

MARIO GERBER: Es ist gut, dass wir endlich starten können. Der Optimismus, der aktuell wieder in der Branche herrscht, ist ganz wichtig. Wir haben eine harte Zeit hinter uns. Man muss bedenken, dass manche Betriebe seit nicht weniger als 18 Monaten zum ersten Mal wieder öffnen können. Aktuell ist die Nachfrage gut. Wir wissen auch, dass die Gäste zu uns kommen wollen und haben generell gute Buchungslagen – nicht überall, aber in vielen Bereichen. Gerade in den Familienbetrieben ist es höchste Zeit, dass die Betreiber und ihre Mitarbeiter wieder Gastgeber sein können.

Stichwort Mitarbeiter: Wie ist die Lage dort?

Da ist die Situation natürlich dramatisch – sowohl was bislang passiert ist, als auch, wie es jetzt aussieht. Wir hatten sehr viele Mitarbeiter, die gar nicht in Kurzarbeit gehen konnten, weil sie am Beginn der Pandemie, noch bevor die Saison losgegangen ist, noch gar nicht angestellt waren. Denen ist nichts anderes übriggeblieben, als sich in andere Bereiche umzuorientieren. Zugleich waren die, die Arbeitsplätze hatten, sehr lange im Leerlauf, inklusive viel Unsicherheit und finanzieller Einbußen. Da ist natürlich auch vielen die Decke auf den Kopf gefallen und sie sind in andere Sektoren abgewandert. Für uns als Branche ist das ein denkbar schlechter Zeitpunkt. Denn wir brauchen jetzt gerade in der Öffnungsphase versierte, motivierte Mitarbeiter.

Gibt es Bereiche, in denen der Bedarf besonders groß ist?

Das ist relativ schwierig und lässt sich nicht allgemeingültig sagen. Was ich von Betrieben höre, werden Restaurantfachleute durch die Bank gesucht. Köche sind vielerorts Mangelware, aber nicht überall. Aber Service-Personal, Rezeption und mehr sind eigentlich immer Thema.

Was erwartet Mitarbeiter, die sich jetzt im Tourismus engagieren?

Der Tourismus ist ein Bereich mit sehr spezifischen, aber auch sehr tollen Jobs. Man muss es natürlich mögen, mit Menschen zu arbeiten, wie überall im Dienstleistungssektor. Wer das kann und will, auf den warten hier viele Möglichkeiten, sich beruflich und kreativ auszuleben, und nicht den Tag am Schreibtisch und auf einen Bildschirm starrend zu verbringen.

Was hebt den Tourismus von anderen Branchen ab?

Was uns zum Unikat als Arbeitgeber macht ist einerseits die große Bandbreite. An der Bar oder der Rezeption zu arbeiten ist etwas völlig anderes, als in der Küche oder im Marketing. Dieses Spektrum ist gerade in den vergangenen Jahren sehr gewachsen. Wer Gespür für Trends hat, kann zum Beispiel sich kulinarisch ebenso ausleben, wie im Social-Media-Management und in der Kommunikation. Andererseits stehen auch viele Wege nach oben offen. Führungsqualitäten machen sich sehr schnell bezahlt. Man muss nicht dreißig Jahre Erfahrung als Kellner sammeln, um ein Team zu führen. Und vor allem größere Betriebe haben in der Regel ein Management-Team, wo sich Engagement und Erfahrung schnell bezahlt machen.

Kommen dabei auch Quereinsteiger zum Zug?

Natürlich! Man muss fairerweise sagen: Je weiter man die Karriereleiter erklimmt und Verantwortung übernimmt, desto mehr werden auch Ausbildungen gefragt sein. Aber da gibt es ein breites Spektrum an Angeboten in allen Bereichen mit viel Praxisbezug, die berufsbegleitend wahrgenommen werden können. Und das ist ja auch der Sinn der Sache: Als Quereinsteiger ist man mehr als willkommen, die Branche kennenzulernen und die nötige Leidenschaft zu entwickeln, um dann mit den Aufgaben zu wachsen.

Die Branche hat nicht zwangsläufig den besten Ruf unter Arbeitnehmern. Wie viel ist an dieser öffentlichen Wahrnehmung dran?

Man muss ganz klar sagen: Es gibt schwarze Schafe. Auch heute haben manche Kollegen und Kolleginnen noch nicht begriffen, dass ihre Mitarbeiter die wichtigste Säule ihres Erfolgs sind. Und diese, da gibt es für mich überhaupt keine Diskussion, gehören aufgezeigt. Aber das ist inzwischen wirklich die Minderheit. Und wer so arbeitet, wird auf kurz oder lang scheitern. Trotzdem hat das natürlich Schaden angerichtet und tut es heute noch. Deswegen haben wir ja auch die Kampagne „Besser als du denkst“ ins Leben gerufen, um eben genau mit solchen Problemen und den daraus entstandenen Mythen aufzuräumen. Den Koch, der 1.300 Euro verdient und 60 Wochenstunden arbeitet, gibt es nicht mehr. Das lässt sich niemand mehr gefallen. Eine Fachkraft würde am selben Tag einen besseren Job finden. Es stimmt schon, dass in den 1980ern und 90ern viel falsch gemacht worden ist. Deswegen herrscht auch in den Köpfen der Eltern noch das falsche Bild vor. Und das geben sie weiter. Deshalb wollen wir nicht nur die zukünftige Fachkräfte- Generation aufklären, sondern auch deren Eltern.

Also büßt die Branche für die Sünden ihrer Väter?

Man muss aufpassen, da das ja nie alle waren. Die vorangegangenen Generationen haben den Tourismus aufgebaut und damit viel Gutes bewirkt. Natürlich sind dabei euch Fehler passiert. Man kann sagen, die Branche büßt für ihr altes Image, das noch in den Köpfen der Menschen steckt. Ich erlebe oft, dass sich Quereinsteiger nach einem halben Jahr fragen, warum sie den Wechsel nicht viel früher gewagt haben. Ganz einfach, weil sie nicht gewusst haben, was alles geboten wird. Ja, man wird am Abend arbeiten müssen und auch Wochenenden sind nicht automatisch frei. Aber das wird durch viele andere Vorteile kompensiert. Es ist eben wirklich besser, als man denkt. Ebenso geht es den Eltern von Lehrlingen. Die sind oft ganz erstaunt, wenn sie erfahren, dass wir ihrem Nachwuchs die eigene Wohnung und Verpflegung stellen und wie gut die Arbeitszeitenregelung und -flexibilisierung ist. Natürlich wird es Leute geben – wie überall, das möchte ich nicht schönreden – deren Verfehlungen noch mehr aufgezeigt werden müssen und die kapieren müssen, dass es so nicht geht. Bei allen anderen, hat sich aber inzwischen viel geändert. In unserer Branche gilt ja grundsätzlich, dass falsche Versprechungen keine Zukunft haben, weder Gästen noch Mitarbeitern gegenüber.

Und was war der Auslöser für diesen Wandel?

Grundsätzlich, da muss man ehrlich sein, die Verfügbarkeit von Arbeitskräften. Da ist ein Wettbewerb entstanden. Und das ist auch gut so. Ich glaube aber auch, dass man erkannt hat, dass Mitarbeiter mehr sind, als nur Arbeiter. Sie repräsentieren den Betrieb. Und jemand, der motiviert ist und Leidenschaft mitbringt, tut das natürlich sehr gut, was sich im Kontakt mit den Gästen zeigt, die das wiederum honorieren. Gerade die Freundlichkeit und Authentizität eines Betriebs sind Aspekte, die in alle Bewertungen einfließt und die man sich nicht einfach an die Wand hängen kann. Das ist ein Bewusstsein, das die Branche vor zehn oder zwanzig Jahren
entwickelt hat und das seither große Veränderungen mit sich gebracht hat.

Ist dieser Prozess abgeschlossen?

Das wird noch ganz andere Dimensionen erreichen, davon bin ich überzeugt. In Zeiten von Fachkräftemangel muss man Mitarbeitern viel geben und ist auch motiviert, das zu tun. Es wird sich in Zukunft noch mehr auf die Beschäftigten fokussieren. Denn wer die besseren Mitarbeiter hat, wird auch den besser funktionierenden Betrieb.

Zahlen und Fakten:

  • Von 2009 bis 2019 konnte der Tourismus einen Beschäftigungszuwachs von 44 Prozent verbuchen. In dem Zeitraum schuf die Branche gut 17.000 Arbeitsplätze in Tirol.
  • Vor der Pandemie hat der Tiroler Tourismus jährlich rund 8,4 Mrd. Euro Umsatz generiert. 6,7 Mrd. davon durch Übernachtungs- und 1,7 Mrd. durch Tagesgäste.
  • Im Tourismusjahr 2018/19 beschäftigte der Tourismus rund 56.000 Mitarbeiter in Tirol – ein Wert, den die Branche wohl bald wieder erreichen wird.
22. Juni 2021 | AutorIn: Daniel Feichtner | Foto: Blickfang

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