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Wirtschaftsfaktor Kultur

„Wir haben mit den beiden Festspielhäusern, der KünstlerInnen Residenz, dem Premierenhaus und der Parkgarage eigentlich einen ganzen Festspielbezirk.“ Natascha Müllauer, Geschäftsführerin Festspiele Erl

Wirtschaftsfaktor Kultur

„Wir haben mit den beiden Festspielhäusern, der KünstlerInnen Residenz, dem Premierenhaus und der Parkgarage eigentlich einen ganzen Festspielbezirk.“ Natascha Müllauer, Geschäftsführerin Festspiele Erl

Kulturveranstaltungen sind mehr als Musik und Kunst. Sie haben durch ihre Wertschöpfung und Umwegrentabilität Auswirkungen auf die Ökonomie ihrer Region. top.tirol hat mit Natascha Müllauer, der Geschäftsführerin der Tiroler Festspiele Erl, über die wirtschaftlichen Aspekte ihres Kulturunternehmens gesprochen.

Die Tiroler Festspiele Erl sind bekannt für Opern und Konzerte. Wie aber wirkt sich das auf die Region aus?

NATASCHA MÜLLAUER: Der Festspielbetrieb hat Auswirkungen auf die Beherbergung, die Gastronomie, den Transport und den Handel – sie alle profitieren von den Aktivitäten der Festspiele. Ein Drittel der BesucherInnen kommen aus Österreich, zwei Drittel davon wiederum aus Tirol. Immerhin 70 Prozent unserer Festspielgäste besuchen uns aus dem benachbarten Ausland, bringen also Geld in die Region. Bei diesen kann von einem echten Mittelzufluss nach Tirol gesprochen werden. Sie zahlen ihre Karte, sie reisen an und sie gehen im Normalfall hier essen und übernachten vor Ort. Durch unser Kulturschaffen hier verursachen wir Nachhaltigkeit in der Region, eine Wertschöpfung.

Ihr Kulturbetrieb benötigt im laufenden Betrieb und darüber hinaus ja auch eine Vielzahl von MitarbeiterInnen, KünstlerInnen etc.

Wir haben im Schnitt ganzjährig 59 MitarbeiterInnen – teilweise in Teilzeit. Davon arbeiten 13 in der Bühnentechnik, elf in der Kostümmanufaktur. Und die anderen 35 decken alles andere ab – vom Kartenbüro, Marketing und Presse, dem Künstlerischen Betriebsbüro und Musikabteilung, Buchhaltung und Personalverrechnung, Reinigung, Instandhaltung und Haustechnik bis um Betrieb unserer KünstlerInnen Residenz. Sie kommen großteils aus der Gegend, viele aus Erl. Und wir haben auch einige GrenzgängerInnen. Dazu kommen über 470 Saisonkräfte: Orchester, Chor und SolistInnen. In Summe haben wir rund 530 Mitwirkende beziehungsweise Mitarbeitende in den Spielzeiten.

Welche Auswirkung hat das auf die Gemeinde und die nähere Umgebung?

Die Dienstverträge sind für die Gemeinde sicherlich bezüglich der Kommunalsteuer von Bedeutung. Für die Region sind es neben den Gästen unsere MitarbeiterInnen selbst, die hier konsumieren: Essen, Übernachtungen, Freizeitaktivitäten – auch da gibt es einen relativ großen Impact. Unsere Werkstätten arbeiten ganzjährig. Wir produzieren ja alles selbst. Die Kostümmanufaktur hat im letzten Jahr über 400 einzelne Kostümteile gefertigt. Dieses Material wird großteils lokal eingekauft und hier verarbeitet. Dazu kommt die klassische Instandhaltung, also Betriebskosten, Strom, Heizung, Telefon, Internet – da greifen wir vorwiegend auf regionale Angebote zurück.

Stichwort Regionalität: Was bedeutet Ihr Betrieb konkret für die nähere Umgebung?

Wir versuchen, Firmen aus der Region zu beauftragen. 47 Prozent unserer Lieferanten kommen aus Tirol, weitere 36 Prozent aus Österreich. Der Elektrikerbetrieb, der bei uns die Wartungen und die Elektrik macht, kommt aus Erl. Er hat mit uns einen großen, stabilen Auftraggeber. Das ist nicht zu unterschätzen. Von den knapp 9,5 Millionen Euro Jahresbudget geht viel Geld in die Instandhaltung, in den laufenden Betrieb und in Anschaffungskosten, in Materialkosten.

Sie haben das Orchester und die SolistInnen erwähnt. Wie bringen Sie so viele Mitwirkende unter? Wie macht sich das im Kufsteinerland bemerkbar?

Wir haben seit 2018 eine KünstlerInnen Residenz – einen eigenen Beherbergungsbetrieb. Orchester und Chor allein zählen 300 Mitwirkende. Wir generieren 17.900 Nächtigungen pro Jahr – nur durch unsere MitarbeiterInnen. Da es sich aber in Summe mit unseren eigenen Bettenkapazitäten nicht ausgeht, werden rund 3.000 Übernachtungen in Hotels und Pensionen im Umkreis gebucht. Da habe ich noch gar nicht von den BesucherInnen gesprochen. Während der Probenzeit und Festspielsaison, wenn Chor und Orchester vor Ort sind, bieten wir ein Mittagessen durch einen regionalen Fleischhauer in der KünstlerInnen Residenz an. Das sind rund 10.000 Essen pro Jahr. Unsere Mitwirkenden konsumieren aber auch in der Region, gehen am Abend nach den Proben auf ein Glaserl. Sie sind allein durch ihre Anwesenheit für die Region ein Wirtschaftsfaktor.

Welche Synergien ergeben sich zwischen Kultur und Tourismus?

Das ist das Außergewöhnliche hier: die Kultur- und Naturlandschaft in der Mischung. Unsere BesucherInnen gehen wandern und radfahren, setzen sich an den See. Am Abend besuchen sie eine Oper oder ein Konzert. Das ist ein Faktor, den wir klar greifen können: Das hat eine  Auswirkung auf den Tourismus. Und was noch dazukommt, ist der Imagetransfer. Unser kulturelles Angebot bringt Menschen in die Region. Kultur und Tourismus können sich gegenseitig befruchten.

Unterscheiden sich Ihre Spielzeiten voneinander in der Wirkung?

Wir haben vier Spielzeiten: Die zwei Hauptsaisonen sind im Sommer, beginnend in der ersten Juliwoche bis Ende Juli, und im Winter, ab den Weihnachtsfeiertagen bis inklusive erster Jännerwoche. Die zwei kleineren Spielzeiten am Palmwochenende und zu Erntedank sind sehr stark regional besucht. Das Publikum im Sommer ist anders. Das sind klassischere FestspielbesucherInnen. Sie bleiben länger und besuchen in der Regel mehrere Veranstaltungen. Diese Gäste genießen nicht nur die Kultur, sondern gehen Abendessen, sie kaufen in der Region ein, sie nutzen Dienstleistungen, gehen zum Friseur, gönnen sich auch sonst etwas – und sind so auch weitere BesucherInnen für die Region.

Wie haben Sie als Kulturbetrieb die Coronazeit erlebt?

Das war nicht einfach. Aber wir waren tatsächlich bei Weitem nicht so schlecht gestellt – im Vergleich zu anderen Häusern, die ganzjährige Betriebe führen. Wir hatten Glück mit unseren Spielzeiten im Sommer, die zumeist weniger stark von den pandemischen Auswirkungen betroffen waren. Bis auf das erste Jahr fanden die Veranstaltungen im Sommer immer statt, genauso wie die Erntedank-Konzerte, die von der warmen Jahreszeit profitierten. Eine Winterspielzeit musste ausfallen, auch die Konzertreihe der Klaviertage im Frühjahr musste coronabedingt abgesagt werden. Wir konnten das Programm aber streamen und so unser Publikum erreichen. Das heißt, wir mussten relativ wenige Veranstaltungen aufgrund der Pandemie streichen. Was wir gelernt haben, ist, dass wir Menschen viel flexibler und anpassungsfähiger sind, als wir alle geglaubt haben.

Natascha Müllauer zu …

  • … Betrieb: In etwa 20 Wochen Probe- und Spielbetrieb haben im letzten Wirtschaftsjahr 50 Veranstaltungen in vier Spielzeiten stattgefunden.
  • … Besucherzahlen: Wir hatten 2021 rund 19.000 BesucherInnen pro Jahr, das entspricht Karteneinnahmen von 890.000 Euro. Durch Weitervermietung des Festspielhauses und mehr nehmen wir rund 460.000 Euro ein.
  • … Erlöse: Unsere eigenen Umsatzerlöse belaufen sich auf rund 1,35 Millionen Euro.
  • … Aufwendungen: Der Aufwand für Gagen für das Orchester, die SolistInnen, aber auch die BühnenbildnerInnen, die KostümbildnerInnen, alle künstlerischen MitarbeiterInnen, die hier arbeiten, beträgt 7,2 Millionen Euro. Die Liegenschaften schlagen mit 1,3 Millionen Euro zu Buche. Das beinhaltet Instandhaltungen, Wartungen, Betriebskosten und so weiter. 1,4 Millionen Euro kostet die allgemeine Verwaltung.
  • … Förderungen: Wir haben 2021 3,5 Millionen Förderungen von Bund und Land erhalten und haben weitere große Sponsoren.

Zur Person

Natascha Müllauer, Geschäftsführerin Festspiele Erl seit 2018

Karrierestationen:

  • Leiterin der Kulturabteilung im Stift Klosterneuburg
  • Mumok Stiftung Ludwig Wien
  • Stadtgemeinde Korneuburg, zuständig für den gesamten Kultur- und Bildungsbereich

Tiroler Festspiele Erl

  • seit über 400 Jahren alle sechs Jahre Passionsspiele
  • 1959 neues Passionsspielhaus, das die Tiroler Festspiele Erl in den Jahren dazwischen bespielten
  • 1997 gegründet von Gustav Kuhn
  • seit 2005 als GmbH geführt
  • 2012 Eröffnung des neuen Festspielhauses
    Baukosten: 20 Millionen Euro aus der Haselsteiner Familien-Privatstiftung
  • Natascha Müllauer kaufmännische Leiterin seit September 2018
  • Bernd Loebe Intendant seit September 2019
  • 4 Spielzeiten
    · Sommerfestspiele: im Juli
    · Winterfestspiele: 26. Dezember bis 6. Jänner
    · Klaviertage: Palmwochenende
    · Erntedank: Anfang Oktober
  • 470 Parkplätze stehen den FestspielbesucherInnen zur Verfügung
  • 400 Kostüme und Kostümteile wurden im vergangenen Jahr in der hauseigenen Werkstatt gefertigt.
  • Die MusikerInnen kommen aus 16
13. April 2023 | AutorIn: Katharina Reitan | Foto: Florian Lechner

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