Experten schätzen, dass Menschen bis zu 200-mal täglich lügen. Auch im Job wird gegenüber Chefs, Kollegen und Kunden gelogen. In der Ökonomie und Politik kann eine Unwahrheit manchmal die bessere Alternative sein.
"Lügen bedeutet, bewusst die Unwahrheit zu sagen, um sich dadurch einen Vorteil zu verschaffen.
Eine Lüge ist also (fast) nie ein ,Kavaliersdelikt?", informiert der Innsbrucker Rechtsanwalt Gerd Pichler. Aber: Der Oberste Gerichtshof habe in einer Entscheidung aus dem Jahr 1998 klargestellt, dass "Notlügen", die ein Dienstnehmer verwendet, um geringfügige Dienstpflichtverletzungen zu vertuschen, nicht mit Entlassung geahndet werden können. So darf beispielsweise die bei einem Bewerbungsgespräch gestellte Frage nach einer Schwangerschaft wahrheitswidrig verneint werden, erklärt der Arbeitsrechtsexperte. Hier gilt das Recht zur Lüge.
So weit, so gut. Was bedeutet es jedoch aus wirtschaftsethischer Sicht, im Arbeitskontext zu lügen?
Dem Arbeitgeber einen Krankenstand vorzutäuschen, ist für den Wirtschaftsethiker daher bereits durchaus "eine Form von ethisch abzulehnender Lüge". Obwohl meist als Kavaliersdelikt wahrgenommen, handelt es sich dabei um eine Form von Betrug, weil damit Leistungen in Anspruch genommen werden, vom Arbeitgeber und auch vom Gesundheitssystem, ohne dass sie einem zustehen. Auch wenn Kunden mit Falschaussagen belogen bzw. betrogen werden, sei das moralisch verwerflich. "Die Grenze zur Lüge ist in der Wirtschaft, im Besonderen in der Werbung, sehr nah", sagt Guggenberger.
Ob der Arbeitgeber einen Mitarbeiter dazu zwingen darf, für das Unternehmen zu lügen, und bei Weigerung sogar mit arbeitsrechtlichen Maßnahmen wie einer Kündigung drohen darf, weiß Rechtsanwalt Gerd Pichler: "Fallweise wird es zulässig sein, dem Arbeitnehmer die Weisung zu erteilen, gegenüber einem Kunden die Unwahrheit zu sagen, wenn das im Interesse des Unternehmens erforderlich erscheint, um zum Beispiel einen Imageschaden zu verhindern."
Heißt, der Arbeitgeber darf den Mitarbeiter zur Lüge auffordern, unter der Bedingung, dass die Notlüge den Interessen des Arbeitnehmers nicht entgegensteht.
Wenn die Lüge indes gerechtfertigt ist und vom Mitarbeiter verweigert wird, kann der Vorgesetzte diesen Mitarbeiter entlassen. "Die Gerichte haben bei der Beurteilung, ob eine Weisung zu befolgen ist oder nicht, die Interessen des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers gegeneinander abzuwägen. Diese Frage wird also immer im besonderen Einzelfall zu beurteilen sein", erläutert Pichler im Detail.
Nicht immer sind Lügen oder Unwahrheiten, um euphemistisch zu bleiben, verwerflich.