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Vorsprung durch Technik

Der Orca. Sein Name hat nichts mit dem Meeressäuger zu tun, sondern leitet sich vom isländischen Wort für Energie „Orka“ her.

Vorsprung durch Technik

Der Orca. Sein Name hat nichts mit dem Meeressäuger zu tun, sondern leitet sich vom isländischen Wort für Energie „Orka“ her.

Die Erde wird immer wärmer. Gletscher und Permafrost schmelzen rasant. Trotzdem schaffen wir es nicht, unseren CO2-Ausstoß zu verringern. Um das anvisierte Zwei-Grad-Ziel zu erreichen, wird es immer wichtiger, technologische Lösungen für den Treibhauseffekt zu finden. Reykjavik ist dem nun einen Schritt näher.

Laut dem im Jahr 2015 geschlossenen Pariser Klimaabkommen soll die Erderwärmung auf maximal zwei Grad gegenüber vorindustriellem Niveau begrenzt werden. Um das zu schaffen, müsste der weltweite Ausstoß von Kohlendioxid – dem größten Treiber des menschengemachten Klimawandels – bis 2030 um mindestens 25 Prozent gesenkt werden und 2070 Netto-Null erreichen. Anstatt dem Ziel näherzukommen, wurde vergangenes Jahr ein neuer Höchstwert des globalen CO2- Ausstoßes verzeichnet. Es sieht also nicht unbedingt danach aus, dass wir unsere Reduktionsziele erreichen könnten. Wäre es da nicht gut, wenn es eine Art Staubsauger gäbe, der das bereits emittierte Kohlendioxid einfach aus der Luft heraussaugt?

Der Orca.

So etwas gibt es tatsächlich. Das Verfahren nennt sich Direct-Air-Capture und der Staub- bzw. CO2-Sauger steht rund 20 Autominuten von der isländischen Hauptstadt Reykjavik entfernt. Er heißt Orca und wurde vom Schweizer Start-up Climeworks, das sich auf die Bindung von Kohlendioxid direkt aus der Luft spezialisiert hat, in Kooperation mit der Kohlenstoffspeicherfirma Carbfix entwickelt. Seit September 2021 ist er in Betrieb und filtert jährlich 4.000 Tonnen CO2 aus der Luft.

Für viele Wissenschaftler gilt die Extraktion von Kohlendioxid als essenzieller Baustein im Kampf gegen den Klimawandel. Der Orca besteht aus acht schiffscontainergroßen – Kollektoren genannten – Boxen. Auf ihrer Vorderseite befinden sich Lamellen und auf der Rückseite je 12 Ventilatoren, die die Luft in die Container saugen. Im Inneren der Kollektoren trifft die Luft mitsamt der CO2-Moleküle auf eine spezielle Membran, wo sich das Kohlendioxid mit anderen Molekülen, sogenannten Aminen, verbindet. Die restliche Luft strömt wieder aus den Containern heraus. Das gebundene CO2 kann dann von den Aminen getrennt, mit Wasser vermischt und in darunter liegendes Gestein gepumpt werden, wo es langlebige Karbonat-Minerale bildet. Die Energie dafür stammt aus der Geothermalanlage in unmittelbarer Nachbarschaft.

Tropfen auf den heißen Stein.

Das hört sich doch gut an. Dann stellen wir einfach ein paar von den Dingern auf und zur Belohnung, dass wir die Erde gerettet haben, gönnen wir uns erst mal eine Kreuzfahrt. So einfach ist es nur leider nicht. Denn die Technologie steckt noch in den Kinderschuhen. Die Extraktion von 4.000 Tonnen Kohlendioxid entspricht in etwa dem Ausstoß von 790 Autos innerhalb eines Jahres. Jährlich werden jedoch rund 36 Milliarden Tonnen CO2 in die Luft geblasen. Das bedeutet, dass wir die Kapazität des Orca alle dreieinhalb Sekunden ausschöpfen.

Laut Schätzungen der Vereinten Nationen müssten bis zum Jahr 2050 jährlich zehn Milliarden Tonnen CO2 aus der Atmosphäre entfernt werden, um das Zwei-Grad-Ziel zu erreichen. Wir bräuchten also 2,5 Millionen Orcas, um das zu schaffen. Diese Zahl gilt allerdings nur unter der Bedingung, dass auch der CO2-Ausstoß massiv gedrosselt wird. Sollte das nicht gelingen, rechnet die UN eher mit 20 Milliarden Tonnen, die jährlich beseitigt werden müssten. Ein weiteres Problem: Die Kosten der Extraktion von einer Tonne Kohlendioxid mit dem Orca betragen aktuell zwischen 600 und 800 Dollar.

Hoffnung für die Zukunft.

Das bedeutet aber nicht, dass der Orca sinnlos ist. Wie jede neue Technologie ist auch Direct Air Capture am Anfang recht ineffektiv. Fotovoltaik-Anlagen beispielsweise hatten zu Beginn einen Wirkungsgrad von wenigen Prozent. Mittlerweile liegt er um die 70. Allein zwischen 2011 und 2016 ist der Preis für Stromerzeugung aus Sonnenenergie um fast 75 Prozent gefallen. Climeworks arbeitet darauf hin, die Kosten für die Extraktion von einer Tonne CO2 in den nächsten Jahren auf 100 bis 200 Dollar zu senken. Auch ihr Wirkungsgrad wird sich durch intensive Forschung in Zukunft deutlich erhöhen.

Außerdem können die Kollektoren durch ihre modulare Bauweise recht einfach in einem größeren Maßstab gebaut werden. Eine zweite Anlage mit einer Kapazität von 36.000 Tonnen jährlich befindet sich bereits im Bau. Wenn man es mit den Worten von Julio Friedman von der Columbia University sagt, klingen 4.000 Tonnen außerdem gar nicht mehr so schlecht. „Der Orca macht die Arbeit von 200.000 Bäumen, auf einem tausendstel der Fläche.“

Warum das Zwei-Grad-Ziel so wichtig ist:

Ab einer Erwärmung der Erde um über zwei Grad würde das Risiko, klimatische Kipppunkte zu
überschreiten, deutlich ansteigen. Zwischen ein bis drei Grad plus im Vergleich zu vorindustriellem Niveau drohen das Abschmelzen des grönländischen Eisschilds, der ommerlichen arktischen Meereisbedeckung, der alpinen Gletscher sowie das Absterben fast aller
Korallenriffe. Das Kippen dieser Elemente führt zu einer noch schnelleren Erwärmung und kann Rückkopplungen mit anderen Klimasystemen und so Kaskadeneffekte auslösen. Besser wäre die Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad, was jedoch sehr unrealistisch ist.

04. November 2022 | AutorIn: Dennis Pscheidl | Foto: CLIMEWORKS

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