top.tirol feiert seinen zehnten Geburtstag. Chefredakteur Haris Kovacevic spricht zu diesem Anlass mit Herausgeber Michael Steinlechner über die Genese und Entwicklung des Magazins sowie über Wirtschaft, Politik und Medien.
Warum gründet man ein Wirtschaftsmagazin?
Michael Steinlechner: Die Idee kam 2014 auf. Neben dem 6020 Stadtmagazin wollten wir im Verlag ein weiteres Produkt auf die Beine stellen, das nicht im Kundenauftrag entstehen sollte. Eines, das regelmäßig und in hoher Stückzahl erscheint. Wir fanden das Thema Wirtschaft spannend. Zudem gab es in Tirol keine wirklich großen Wirtschaftstitel – maximal Special-Interest-Produkte. Da sahen wir unsere Chance.
Gerade am Anfang hat das Magazin viele Kurs- und Konzeptänderungen durchlebt. Es war aber von Tag eins an erfolgreich, ist gut angekommen und hat Spaß gemacht. Und wir wollen es jetzt nach zehn Jahren wieder ein bisschen anders probieren.
Und zwar?
Wir haben einen neuen Vertrieb auf die Beine gestellt. Die TT ist ein tolles Trägermedium, aber ein großer Teil ihrer Leserschaft interessiert sich nicht in dem Ausmaß für wirtschaftliche Fragen. Also haben wir in einen exklusiven Postverteiler investiert, mit dem wir ohne Umweg die EntscheiderInnen in den Tiroler Unternehmen erreichen. Unser Magazin kommt also direkt zur Geschäftsführung oder den EigentümerInnen. Zusätzlich verteilen wir 25.000 Magazine gratis, und zwar über mehr als 1.700 Selbstbedienungstaschen in der gesamten Inntalfurche.
top.tirol erfindet sich generell ein bisschen neu. Nicht nur das Magazin. Wir finden auch digital statt, starten verschiedene Videoformate und geben, das darf man nicht vergessen, auch einen Newsletter heraus …
… in dem du auch als Kolumnist auftrittst.
Kurze Zeit nach dem Launch der Website haben wir einen Newsletter etabliert. Am Anfang war das noch ein braves, solides Info-Tool. Vor gut einem Jahr habe ich mir dann zugetraut, nicht nur inhaltlich, sondern vor allem zeitlich mich um dieses Projekt zu kümmern und den Newsletter selbst zu schreiben. Mit allen Vor- und Nachteilen. Vorteil ist, dass ich das sehr gerne mache. Es ist ein interessantes Kommunikationsmittel geworden. Der Nachteil ist, dass jede Woche wirklich oft ist.
Es ist aber eine Form, in der ich einen Synergieeffekt nutzen kann, den nur wenige haben: Ich habe die Möglichkeit, journalistisch zu kommunizieren, bin aber auch Unternehmer. Anders formuliert: Wenn jemand unternehmerisch erfolgreich ist, ist er meistens kein Journalist. Das ist auch ein Grundproblem der Branche: Die wenigsten GesundheitsjournalistInnen sind auch als HerzchirurgInnen tätig. Deswegen ist es oft schwierig, Leute zu finden, die ein Thema vollumfassend verstehen. Das ist auch das Gefühl, das ich den LeserInnen des Newsletters vermitteln kann: Es ist keine oberflächliche Betrachtungsweise von jemandem, der sich kurz in die Thematik eingelesen hat, sondern es schreibt da jemand, der Zusammenhänge kennt und die Dinge versteht.
Ich würde sagen, du bringst Dinge auf den Punkt, traust dich, teilweise heiße Eisen anzugreifen, und erlaubst dir einen eigenen Standpunkt.
Der Ton ist natürlich scharf und pointiert. Ich bemühe mich aber, dass es nicht komplett wild wird. Die klare Meinung ist für die Textform einfach wichtig. Ohne aber dahingehend abzugleiten, jemanden über Wochen wie die Sau durchs Dorf zu jagen. Ein Beispiel: Wir haben relativ viel über Benko geschrieben. Den überheblichen, schadenfrohen Ton, den viele andere Medien in dem Augenblick für richtig und wichtig gehalten haben, suchte man bei uns vergebens. Ich habe mich bemüht, die Sache aus einer anderen Perspektive zu sehen, und konnte aus dem Feedback herauslesen, dass man froh war, dass ich sie nicht im für Medien praktischen Schwarz-Weiß-Schema betrachtet habe.
Du thematisierst gerne Politik in deinen Kommentaren. Warum findest du es wichtig, auch politische Fragen in einem Wirtschafts-Newsletter zu behandeln?
Politik ist ein sehr großer Wirtschaftstreiber. Die Republik Österreich kann Dinge ganz einfach beschließen. Nicht durch Gesetze, sondern einfach durch ihre Einkaufsmacht. Also mit der Beantwortung der Frage: Wofür gebe ich als Staat Geld aus? Gibt die Politik also unser Geld für innovative Ideen oder für Sachen, die rückwärtsgewandt sind, aus? Mit dieser Macht kann sie sehr viel steuern. Meine große Sorge ist, dass dahingehend sehr viel im Argen liegt.
Wieso?
Es gibt ein Problem nicht nur in Österreich, sondern in unseren europäischen Breitengraden, dass wir dazu neigen, das Angebot und nicht die Nachfrage zu fördern. Banal ausgedrückt heißt das: Alles, was schon da ist, soll möglichst lange erhalten bleiben. Noch einfacher ausgedrückt: Man pumpt heute lieber jährlich Milliarden in VW, damit sie keine Leute entlassen müssen, anstatt dass man ihnen vor 20 Jahren Geld gegeben hätte, damit sie sich zu einem modernen Unternehmen entwickeln können. In Österreich ist es wahrscheinlich noch viel schlimmer. Wenn ich heute eine Förderung für eine Videothek beantragen würde, hätte ich wahrscheinlich gar keine schlechten Chancen, sie zu bekommen. Was die neue Konstellation auf Bundesebene anbelangt, bin ich entgegen meinem Wesen eher Pessimist und glaube, dass dahingehend eine Art Höhepunkt erreicht werden könnte.
Politisch lässt du dich schwer einordnen. Warum ist das so?
Nachdem ich glaube, dass das Parteiensystem und auch dieses Links-rechts-Denken komplett am Ende sind, weiß ich nicht, ob es da eine Einordnung braucht beziehungsweise ob sie für die Leute noch möglich ist. Mir geht’s wie den meisten Menschen: Parteien zu wählen, fällt mir ganz schwer. Manchmal taucht bei der einen oder anderen Partei eine Person auf, bei der ich sage: Okay, bei der kann ich mir vorstellen, dass es funktionieren kann oder dass sie was weiterbringt.
Im aktuellen Angebot habe ich eine solche nicht gefunden. Insofern habe ich mir auch bei der Koalitionsbildung keine große Meinung erlaubt.
Du gehst mit politischen AkteurInnen gerne hart ins Gericht.
Ich gehe von der Prämisse aus: Je wichtiger die Person, desto mehr muss sie aushalten. Daher übe ich mich bei Menschen, die im Umgang mit Öffentlichkeit nicht geschult sind, auch in Vorsicht. Leute an Spitzenpositionen müssen vielleicht auch mal eine überzogene Kritik aushalten. Als Unternehmer hätte ich eben gerne, dass die richtigen Rahmenbedingungen geschaffen werden. Ich weiß aber auch, warum das nicht passiert. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein erfolgreicher Unternehmer Politiker wird, liegt bei nahezu null. Das ist schade. Weil PolitikerInnen Entscheidungen treffen müssen, die UnternehmerInnen und die Wirtschaft betreffen. Als ich gefragt wurde, was ich von Anzengruber als Innsbrucker Bürgermeister halte, meinte ich, dass ich es gut finde, dass das jemand ist, der weiß, was unter einer Mehrwertsteuer zu verstehen ist. Das ist natürlich übertrieben. Der Punkt ist: Natürlich soll man nicht unbedingt einfach nur auf die Wirtschaft hören, weil die Wirtschaft immer alles Mögliche will. Aber es wäre toll, wenn Menschen PolitikerInnen werden würden, die einmal eine ihrer Ideen gewinnbringend verwirklichen mussten. Oder die auch mal erlebt haben, dass weniger Geld reinkommt, und mit dieser Situation umgehen mussten.
Auch die Medienwelt steckt in einer Krise. Das beschäftigt dich in mehrerlei Hinsicht.
Die Medienwelt steckt in einer Krise, weil viele Häuser viel zu lange business as usual gemacht haben. Viele Jahre hat das wirtschaftlich sehr gut funktioniert.
Jetzt treffen viele Dinge aufeinander. Medienunternehmen sind per se sehr innovationsfaul. Sie haben keinerlei Veränderungswillen, weil sie jahrzehntelang von der Nichtveränderung profitiert haben und weiterhin hoffen, dass das möglichst lange so weitergehen wird. Der Werbemarkt aber sinkt. Er verlagert sich Richtung online. Ich sollte in dem Fall die Vergangenheit wählen, denn es ist schon längst passiert. Klassische Medien fallen mittlerweile in die Kategorie „Seniorenbespaßung“.
Bist du ein Fan dieser Entwicklung?
Nein, überhaupt nicht. Dass ich heute ein hochformatiges, wenige Sekunden langes Video brauche, um jemandes Aufmerksamkeit zu gewinnen, finde ich persönlich schlimm. Aber es ist eine Entwicklung, die ich zur Kenntnis nehmen muss. Das wird anderen Medienhäusern auch so gehen. Je früher man draufkommt, desto weniger schmerzhaft ist es. Für uns ist es schmerzbefreit, weil wir uns früh damit beschäftigt haben. Ich folge einer banalen journalistischen Prämisse: Wenn wir gute Geschichten machen und Recherchen haben, dann soll das auch eine große Leserschaft erfahren. Wie und wo und wann die Leute das lesen, ist mir eigentlich egal. Die Geschäftsmodelle muss man drum herum bauen. Es geht prinzipiell um den Inhalt, und es geht darum, seine Zielgruppen zu finden. Das Motto, das wir ausrufen, ist: Reichweite durch Relevanz. In der klassischen Medienphilosophie und auch in der Social-Media-Welt ist dieses Motto stets umgedreht. Relevanz generiert man durch Reichweite. Da müssen einige noch umdenken.
Was macht top.tirol, um der neuen Entwicklung gerecht zu werden?
Wir öffnen uns der Entwicklung und probieren viel Neues aus: Herauskommen werden viele Bewegtbildformate, Diskussionen, Rückblicke von Veranstaltungen, Social-Media- und Online-Inhalte, wo die Wirtschaftswelt in Tirol abgebildet wird. Und zu guter Letzt: viermal im Jahr ein modernes Magazin für alle Menschen, die auch ohne Handy lesen können.
Vielen Dank für das Gespräch!
Zur Person
Michael Steinlechner ist Geschäftsführer der Target Group Publishing GmbH. Der Magazinverlag ist aus dem 6020 Stadtmagazin hervorgegangen, das der Unternehmer im Alter von 21 Jahren mitgegründet hat. Steinlechner tritt selbst nach wie vor als Journalist in Erscheinung, unter anderem als Verfasser des populären top.tirol Insights Newsletters.