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Sichtbare Absicht

Sichtbare Absicht

An der UMIT TIROL Hall entwickeln Tiroler Wissenschaftler Software, um in Echtzeit dabei zuzusehen, wie aus Gedanken Bewegungen werden. Das hilft nicht nur dabei, unser Gehirn zu verstehen, sondern verbessert auch Therapieansätze.

Nach einem Gegenstand zu greifen, den nächsten Schritt zu machen oder sich an der Nase zu kratzen: Was uns als das Natürlichste auf der Welt erscheint, bedarf komplexer Abläufe – nicht nur in unseren Extremitäten, sondern auch in unserem Gehirn.

Vernetzt

Dort beginnt alles mit der Absicht – entweder durch einen externen Reiz wie ein Geräusch oder durch ein eigenes Bedürfnis ausgelöst. „Das ist gewissermaßen der Gedanke an die Bewegung“, erklärt Daniel Baumgarten, Leiter des Instituts für Elektrotechnik und Biomedizinische Technik an der UMIT TIROL. Dieser entsteht in einer spezifischen Hirn-region. Dort bleibt er aber nicht: Aus der Absicht formiert sich ein Netzwerk zwischen verschiedenen involvierten Gehirnregionen. „Da werden Informationen verarbeitet, mit etwas schon Gespeichertem verglichen und mehr“, beschreibt Baumgarten, „bis schließlich ein Nervenimpuls abgeleitet wird, der die Bewegung veranlasst.“

NachträglicHE Einsicht

All das lässt sich bislang anhand des Resultats, also der Bewegung, oder nach einer Messung der Hirnströme mithilfe eines Elektroenzephalogramms, kurz EEG, beobachten. Bei Letzterem messen die Forscher die schwachen elektrischen Signale im Gehirn mit Elektroden, die am Kopf angebracht werden. „Nach einer solchen Messung können wir nachvollziehen, wo der Impuls seinen Anfang genommen hat und wie sich das Netzwerk bildet“, erklärt Baumgarten. Dabei gibt es allerdings ein Manko: Das EEG wird zwar gemessen, während PatientInnen sich auf den Bewegungsablauf konzentrieren, interpretiert werden können die aufgezeichneten Signale aber erst nachträglich.

Echtzeitberechnung

Als Teil eines internationalen Konsortiums arbeitet Baumgarten im Projekt ONCE TMS an einer Software, mit der sich der Weg von der Absicht zur Aktion auch in Echtzeit nachverfolgen lässt. Gemessen wird dabei wie bei einem normalen EEG. Anstatt nur aufgezeichnet, werden die Daten aber zeitgleich ausgewertet: „Dazu verwenden wir zum einen eine MRT-Aufnahme des Gehirns, die uns die anatomische Struktur des Gehirns verrät“, erklärt Baumgarten, „und zum anderen Rechenmodelle, die darauf beruhen, wie leitfähig die Gewebe, beispielsweise die Schädeldecke, sind.“ Anhand dieser Informationen kann dann errechnet werden, in welchem Teil des Gehirns das gemessene Signal entsteht – und wie es von einem Areal zum nächsten wandert und sich so ein Netzwerk bildet. „Wir sehen also dem Gehirn gewissermaßen dabei zu, wie es eine Absicht formuliert und daraus eine Aktion generiert“, meint Baumgarten.

Praktische Anwendung

Rein wissenschaftlich ist das überaus interessant und könnte Erkenntnisse darüber liefern, wie unser Gehirn funktioniert. Doch die Methode hat auch ganz praktische Implikationen: „Schlaganfälle führen häufig zu Schädigungen bestimmter Hirnregionen“, erklärt Baumgarten. So ist das Gehirn nicht mehr in der Lage, die Netzwerke zu formen, die von der Absicht zur Bewegung führen. Es kommt zu Beeinträchtigungen. „Deswegen müssen PatientInnen Abläufe wie Bewegung oder Sprechen manchmal völlig neu lernen.“

Präzisionstraining

Dabei lässt sich bei der Therapie bislang nur anhand der Bewegung sagen, ob die Übung gelingt. Dank ONCE TMS sollte es aber bald möglich sein, anhand des EEG zu beobachten, wie erfolgreich die Versuche sind – und den Fokus direkt zu korrigieren. „Zusätzlich sehen wir, wo die Netzwerkformation scheitert“, sagt Baumgarten. „Ist der Ort identifiziert, können wir transkranielle magnetische Stimulation – ein zielgerichtetes Magnetfeld – einsetzen, um die Neuronen dort zu stimulieren, und damit die Vernetzung der Regionen unterstützen.“

GedankeNTastatur

Noch futuristischer, aber ebenfalls bereits in der Anwendung angekommen sind sogenannte BCIs, Body-Computer-Interfaces, die es Menschen erlauben, alleine durch Gedanken Computer zu steuern. „Das können einfache Richtungsanweisungen sein, zum Beispiel für einen elektrischen Rollstuhl“, erklärt Baumgarten. „Aber das geht auch mit mehr Präzision – bis hin zum gedanklichen ‚Tippen‘ einzelner Buchstaben.“ Um ein solches Interface zu bedienen, ist allerdings viel Übung notwendig. Und im Idealfall passen sich nicht nur die jeweiligen BenutzerInnen an die Steuerung an, sondern wird auch die Steuerung entsprechend der individuellen BenutzerInnen adaptiert. „Auch dafür legt ONCE TMS das Fundament“, bestätigt Baumgarten. „Sehen wir, was im Gehirn geschieht, können wir sowohl das UserInnen-Training deutlich präzisieren als auch die Bedienung maßschneidern und damit deutlich bessere Ergebnisse erzielen.“

Zur Person

Daniel Baumgarten hat im deutschen Ilmenau Ingenieurinformatik und Biomedizinische Technik studiert. Seit 2016 leitet er das Institut für Elektrotechnik und Biomedizinische Technik an der UMIT TIROL in Hall.

  • DanielBaumgarten

    Daniel Baumgarten, Leiter des Instituts für Elektrotechnik und Biomedizinische Technik an der UMIT TIROL in Hall.

17. Dezember 2022 | AutorIn: Daniel Feichtner | Foto: Shutterstock

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