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Der Versicherungsmarkt der Zukunft

Persönlicher Kontakt auf Distanz: Heute sind nicht nur E-Mails, sondern auch Video-Conferencing-Tools gebräuchliche Tools, die von vielen Kunden gerne angenommen werden.

Der Versicherungsmarkt der Zukunft

Persönlicher Kontakt auf Distanz: Heute sind nicht nur E-Mails, sondern auch Video-Conferencing-Tools gebräuchliche Tools, die von vielen Kunden gerne angenommen werden.

Digitalisierung und Individualisierung auf der einen, Klimawandel und Finanzkrise auf der anderen Seite: Die Versicherungsbranche befindet sich in einem enormen Wandlungsprozess, der ähnlich dem Bankensektor gleichermaßen Herausforderungen wie Chancen für die Zukunft birgt.

Eines ist sicher: Versicherungen werden wichtiger denn je, aber auch moderner, flexibler und immer komplexer. Die Finanzkrise, Covid-19, Brände, Stürme, Fluten – bislang konnte die Versicherungsbranche meist passende Antworten auf Katastrophen und Krisen finden und die Schäden der Betroffenen entsprechend abfedern. Doch klima-bedingte, negative Naturphänomene treten sichtlich häufiger und heftiger auf und auch die langanhaltende Niedrigstzins-situation wird in Zukunft laut Expertenmeinung zu einer wachsenden Herausforderung. UNIQA-Landesdirektor Michael Zentner weiß: „Sicherheit für sich und die Familie hinsichtlich der Gesundheit, aber auch der finanziellen Vorsorge haben stark an Bedeutung gewonnen. In Zukunft wird es immer wichtiger, für Schäden nicht nur aufzukommen, sondern sie im Vorfeld zu vermeiden.“

Walter Schieferer, Vorstandsvorsitzender der TIROLER Versicherung, stellt außerdem fest: „Fast im Monatstakt kommen neue oder adaptierte Versicherungsprodukte auf den Markt. Oftmals sind sie von den Vorgängern kaum zu unterscheiden, dafür aber unübersichtlicher und komplexer gestaltet.“ Schieferer erkennt in ersten Ansätzen einen Trend, sogenannte Standardprodukte zu vereinfachen. Gerade mit Blick auf Smart-Home, autonomes Fahren und Cyber-Crime könnten sich Verbraucher in absehbarer Zeit laut Schieferer auf neue Angebote einstellen. Auch Michael Perlornigg, Geschäftsführer der Steinmayr & Co Insurance Brokers GmbH, kann einen Trend in Richtung Digitalisierung beobachten: „In diesem Bereich werden aktuell europaweit Milliardenbeträge investiert.“

DIGITALER QUICKIE …

Onlinevergleichsportale sind eine recht gute Informationsquelle und ein sinnvolles Instrument, um sich einen groben Überblick zu verschaffen – da sind sich die befragten Experten einig. „Einfache Produkte wie die Veranstalterhaftpflicht, Studierenden- oder Haushaltsversicherung können inzwischen problemlos online abgeschlossen werden“, erklärt Schieferer, sieht aber auch: „der Wunsch unserer Kunden und Kundinnen nach einer kompetenten Beratung und Betreuung hat sich in den letzten Jahren verstärkt.“ Gerade, wenn es wie in den Bereichen Gesundheit oder Altersvorsorge um komplexere Produkte geht, kann auch Zentner feststellen, dass ein persönliches Gespräch grundlegend ist für eine durchdachte Entscheidung. Ein individuell passendes Versicherungskonzept setzt neben einer Risikoanalyse eben auch die Kenntnis über die unterschiedlichsten Produktvarianten voraus. Ein Problem beim standardisierten Onlineangebot, das es branchenintern noch zu lösen gilt.

… ODER PERSÖNLICHE BERATUNG?

Perlornigg sieht bei geradlinigen, einfachen Produkten daher den Schlüssel zum Erfolg. „Beim Abschluss von standardisierten Produkten für Privatkunden und Privatkundinnen rückt eine persönliche Beratung immer mehr in den Hintergrund. Im Bereich der Betriebsversicherungen hingegen ist ein fundiertes Fachwissen nach wie vor in vielen Fällen notwendig und wichtig.“ Eine professionelle Beratung ohne Einsatz digitalisierter Kommunikationskanäle und Instrumente ist schon heute für keinen Branchenkenner mehr denkbar. In Zukunft wird es also darauf ankommen, hier eine ausgewogene Balance zu finden. Dennoch wird sich die Versicherungsbranche wohl analog zu den Banken zukünftig radikal verändern und anpassen müssen.

Das mittlerweile flächendeckend etablierte Homeoffice verstärkt die Affinität der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen zur digitalen Welt zusätzlich. Es ist mittlerweile zur neuen Normalität geworden, dass (fast) alles online über Zoom-Calls, Livechat oder per Mail erledigt werden kann. Der Kunde möchte schlichtweg nicht mehr den Weg in die womöglich weit entfernte Filiale auf sich nehmen, geschweige denn einen Haustermin mit einem Vertreter vereinbaren. Auf den gewohnten Service will man indes freilich nicht verzichten.

FLEXIBLE ANGEBOTE

„Custom-made“-Produkte sind ein eindeutiger Trend unserer individualisierten Gesellschaft. Auch vor der Versicherungsbranche macht dieses Anspruchsdenken keinen Halt. Speziell junge Kunden fragen bereits verstärkt nach „On-Demand-Versicherungen“ mit einer schnellen, unkomplizierten, bedarfsgerechten Abdeckung und einer flexiblen und meist kurzen Vertragsdauer. Der Vertragsabschluss via App oder Mobiltelefon wird zunehmend zum Standard und auch das Bedürfnis nach Schutz von Einzelobjekten wie E-Bikes oder Smartphones wächst, wie Pelornigg weiß: „Hier gibt es bereits zahlreiche Anbieter in Form von Start-ups, deren Geldgeber in der Regel wiederum die Versicherungswirtschaft ist.“ Ein Handlungsbewusstsein ist in der Branche also durchaus vorhanden.

MASSGESCHNEIDERT

Schieferer erkennt in der wachsenden Produktflut indessen eine Problematik: „Die Angebotslandschaft ist selbst für Profis fast unüberschaubar geworden. Es wird daher in den nächsten Jahren vor allem darauf ankommen, die Produkte für die Kunden und Kundinnen transparenter zu gestalten. Aktuell ist leider zu oft die Prämie das ausschlaggebende Kaufmotiv – zu Lasten der individuell passenden Absicherung.“ Zentner kann außerdem eine äußerst geringe Kaufbereitschaft verzeichnen, wenn es darum geht, für etwas zu zahlen, für das persönlich kein oder ein nur sehr geringes Risiko gesehen werde. „Gleichzeitig sind Versicherer aber gefordert, die Verwaltungskosten möglichst gering zu halten. Das gelingt mit modularen Produkten: Sie sind einfach in der Verwaltung, aber den noch auf die individuellen Bedürfnisse hin anpassbar“, unterstreicht der UNIQA-Landesdirektor die Wichtigkeit einer flexiblen Produktgestaltung.

CHANCEN DER DIGITALISIERUNG

Da sich die Digitalisierung ohnehin nicht mehr abwenden, sondern nur noch sinnvoll kanalisieren und den eigenen Bedürfnissen entsprechend formen lässt, liegt der Fokus auch bei den Versicherungen auf den sich bietenden Vorteilen. „Wenn, dann soll das Finden der passenden Versicherung möglichst schnell und unkompliziert funktionieren“, weiß Perlornigg. Onlineberatung, ein direkter Abschluss und einfache Produkte sparen aber auch für die Versicherungsunternehmen selbst Zeit und Geld. „Mittelfristig werden Versicherer ihre Kosten reduzieren und den Kunden und Kundinnen günstigere Produkte anbieten können“, ist sich der Geschäftsführer der Steinmayr & Co Insurance Brokers GmbH sicher und ergänzt: „Aufgrund der immer umfangreicher zur Verfügung stehenden Daten werden Informationen zu Bedürfnissen und Präferenzen von Kunden und Kundinnen gewonnen, die es ermöglichen, personalisierte Angebote zu erstellen.“

UNTERSTÜTZEND

Auch Zentner sieht digitale Tools als wichtige Unterstützung in der Beratung: „Einerseits informieren sich viele Kunden und Kundinnen bereits vorab und kommen gut vorbereitet ins Beratungsgespräch, andererseits gewinnen die Berater und Beraterinnen durch die Digitalisierung standardisierter Prozesse wertvolle Zeit.“ Für Schieferer bieten unter anderem die übersichtliche Darstellung der Verträge im Kundenportal, die Schadensmeldung via App auf dem Smartphone oder der schnelle Abschluss kurzfristiger Versicherungsdeckungen ein enormes Potenzial – und einen reduzierten Papierverbrauch zugunsten der Umwelt. „Die Betreuung und Beratung der Kunden und Kundinnen über digitale Medien während der Lockdowns war wichtig und hilfreich. Diese Kommunikationskanäle werden sicher auch weiterhin genützt. Niemals aber können sie ein persönliches Gespräch, egal ob zu Hause oder in einem Kundenbüro, ersetzen“, zeigt sich der TIROLER-Vorstandsvorsitzende bei all dem Fortschrittsdenken von den Vorzügen der menschlichen Komponente überzeugt. Es scheint, als würde es, wie in anderen Branchen auch, wohl eine Zwischenlösung geben müssen. Persönliche Beratung (auch über digitale Kanäle) bei speziellen Anliegen und im Geschäftsbereich und rein digitale Kanäle mit kurzer Reaktionszeit für den Privatverbraucher im Alltagsbereich.

MEHR SERVICE

Dass ein Schaden rasch und unbürokratisch beglichen wird, kann und wird in Zukunft nicht mehr als Qualitätskriterium bei den Kunden durchgehen. Vielmehr wird es darauf ankommen, im Schadensfall die Dauer der Bearbeitung transparent zu machen und den Versicherten mit personalisierten Assistance-Leistungen zur Seite zu stehen. Qualität bedeutet für Zentner konkret, die Klienten bei der Schadensprävention aktiv zu unterstützen – beispielsweise mit der kostenlosen Unwetterwarnung. Für Schieferer liegt der Fokus auf ausreichenden Entscheidungskompetenzen und einem lösungsorientierten Agieren der Versicherer. Für Perlornigg wiederum sind eine persönliche Beratung und Fachkompetenz insbesondere im Firmengeschäft ein unverzichtbares Qualitätskriterium. Wenn letztlich aus einem „Geschäftsfall“ ein Partner auf Augenhöhe wird, sind die Versicherungen in Bezug auf Qualität und Service sicherlich auf einem guten Weg. Dabei wird – wie in allen anderen Bereichen auch – letztlich der Kunde entscheiden, welche Produkte sich durchsetzen und welche Kommunikationskanäle gefragt sind.

DIE ZUKUNFT DER VERSICHERUNGSBRANCHE

Als Branchentrends zeichnen sich „On-Demand-Versicherungen“ mit einer schnellen, unkomplizierten, bedarfsgerechten Abdeckung und einer flexiblen und meist kurzen Vertragsdauer bis hin auf Tagesbasis ab. Modulare Produkte sind zudem einfach in der Verwaltung und auf individuelle Bedürfnisse hin anpassbar – das spart Verwaltungsaufwand.

Digitale Kommunikationswege versprechen mehr fundierte Kundendaten, anhand derer personalisierte Produkte automatisch übermittelt werden können. In Kombination mit der persönlichen Beratung für kompliziertere Sachverhalte auf Geschäftsebene ergibt sich so ein Baukasten an innovativen Maßnahmen, die das Versicherungswesen in ihrer Summe weg vom Vertreterimage und hin zum modern agierenden Problemlöser führen sollen.

VERSICHERUNGSGESCHICHTE

Die Versicherungen können in Österreich auf eine rund 200-jährige Geschichte zurückblicken. Ging es zu Beginn ausschließlich um die Absicherung des Habs und Guts (Land- und Forstbesitz, später Eigenheime und Fahrzeuge), rückte in den vergangenen Jahrzehnten immer mehr auch der Mensch in den Mittelpunkt.

  • Michael-Zentner

    Michael Zentner, Landesdirektor Tirol, UNIQA Österreich

  • Walter-Schieferer

    Walter Schieferer, Vorstandsvorsitzender der TIROLER Versicherung

  • Perlornigg

    Michael Perlornigg, Steinmayr & Co Insurance Brokers GmbH

09. Dezember 2021 | AutorIn: Linda Pezzei | Foto: Axel Springer, Günter Kresser, Hohlrieder

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