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Prost Mahlzeit

Neben Nuding steht mit Koch Thomas (links) noch ein weiteres Mitglied der Gagnaire-Familie am Herd. Zum Start greift dem Heimkehrer auch sein französischer Patissierkollege François (Mitte) unter die Arme. Läuft alles nach Plan, soll das Team, zu dem auch eine Jungköchin zählt, bald um einen Bartender und einen Sommelier erweitert werden. Auf der Suche nach Abwäschern ist Nuding noch.

Prost Mahlzeit

Neben Nuding steht mit Koch Thomas (links) noch ein weiteres Mitglied der Gagnaire-Familie am Herd. Zum Start greift dem Heimkehrer auch sein französischer Patissierkollege François (Mitte) unter die Arme. Läuft alles nach Plan, soll das Team, zu dem auch eine Jungköchin zählt, bald um einen Bartender und einen Sommelier erweitert werden. Auf der Suche nach Abwäschern ist Nuding noch.

Der Tiroler Spitzenkoch Johannes Nuding hat sich über Paris, Moskau und London den Weg in den Kocholymp gebahnt und dabei drei Michelin-Sterne eingeheimst. Jetzt kehrt der Weltenbummler in seine Heimatstadt Hall zurück, um im Familiengasthof Schwarzer Adler umzurühren. 6020 hat ihn dort besucht und über Haute Cuisine, Seelennahrung und den Preis der Freiheit gesprochen.

Die Eugenstraße in Hall war bislang nicht gerade als kulinarischer Hotspot bekannt. Im Gegenteil. In der schattigen Einbahn, die mehr Gasse als Straße ist, finden sich ein Bestattungsunternehmen, ein Einrichtungsgeschäft für Kinder, ein Kalligrafieladen, ein Beautysalon und ein Architekturbüro. Wer tiefer in die Stadtgeschichte eintaucht, stößt aber auch auf die sogenannten „Fetzweiber“, die ehedem ebendort den Inhalt des öffentlichen Pissoirs zur Salmiakfabrik vor die Stadt karrten. Doch das ist gelber Schnee von gestern. Denn glaubt man dem Gourmetmagazin „Falstaff“, dann bahnt sich einen Steinwurf vom Oberen Stadtplatz entfernt die „spektakulärste Neueröffnung Österreichs 2022“ an. „Ja, wenn sie meinen“, sagt Johannes Nuding, der gerade noch in der Küche vom Schwarzen Adler ein Stück Fleisch pariert und jetzt mit dem Handwerker parliert, der den kaputten Geschirrspüler wieder zum Laufen gebracht hat. „Funktioniert er? Boah: Du rettest mein Leben“, sagt der 36-jährige Haller, der die letzten 20 Jahre in Paris, Moskau und London gelebt hat, wo er sukzessive die Spitze des Kocholymps erklomm. Oder anders gesagt: Nach Eckart Witzigmann ist Johannes Nuding erst der zweite gebürtige Österreicher, der mit drei Michelin-Sternen ausgezeichnet wurde. Zuteil wurde ihm diese Ehre als Chefkoch des preisgekrönten Restaurants „Sketch – the Lecture Room & Library“ im exklusiven Londoner Viertel Mayfair.

„Aber das war keine Einzelleistung: Im Sketch hatten wir 18 Leute in der Küche und 25 im Speisesaal, den namhafte Innendesigner ausgestattet haben. Nicht zu vergessen der Weinkeller, der über 20 Jahre aufgebaut wurde“, erklärt Nuding, der die Lorbeeren gerecht verteilt wissen will. Stolz auf das, was er bislang erreicht hat, ist er aber schon: „Michelin verteilt ja keine Sterne, nur weil ich ein netter Typ bin. Das ist alles hart erarbeitet. Trotzdem bleiben die ganzen Sterne und Ranglisten jetzt einmal in London. Das Superstar-Chefgetue auch“, sagt der Heimkehrer, der seit einem halben Jahr wieder dort wohnt und wirkt, wo er vor seiner Kochkarriere zu Hause war. Aber wieso wollte er back to the Haller roots?

MANN VON WELT.

„In der Vergangenheit habe ich alle paar Jahre mein ganzes Leben in zwei, drei Taschen gepackt und meine Zelte woanders aufgeschlagen. Da verliert man schon ein wenig den Lebensmittelpunkt und sein Daheim“, begründet der Weltenbummler seine Rückkehr nach Tirol, die mancherorts auch belächelt wird. Denn wie kann man nur die schnöde Provinz dem pulsierenden Großstadtleben vorziehen? „Ich hätte schon auch Angebote für London gehabt. Aber da wäre immer ein großer Investor dahintergestanden, der den Rhythmus vorgibt. In Hall bin ich frei“, sagt Nuding, der den Weg zurück nicht allein angetreten hat. Mit dabei sind seine in Armenien geborene und in Moskau aufgewachsene Frau Yoanna und seine beiden kleinen Kinder, die in England zur Welt kamen und hier nun dreisprachig erzogen werden. Im Hause Nuding wird Russisch, Englisch und Deutsch gesprochen.

Im Schwarzen Adler regiert indes der Tiroler Dialekt, den Nuding trotz der vielen Lehr- und Arbeitsjahre außerhalb der Bergwelt nie abgelegt hat. Mit „Hallo! Griaß di. Hoasch mi glei gfunden“ wird der Posteler begrüßt. Für Onkel Werner, der wie Nudings Vater seit Monaten beim Umbau des 400 Jahre alten Familiengasthofs tatkräftig zur Hand geht, gibt’s ein „Danke daweil“. Bis zur geplanten Restauranteröffnung im Juli wird es noch viele „Danke“ geben und wird sich auch Nuding selbst noch öfter als Allrounder beweisen müssen. „Vor ein paar Tagen ist die Waschmaschine eingegangen, die hab ich dann selber wieder in Gang bringen müssen“, sagt der Starkoch, der diese Zuschreibung von sich aus nie in den Mund nehmen würde. „Wenn das jemand anderer über mich sagt, ist mir das egal. Ich stelle mich auch nicht als Drei-Sterne-Koch vor oder behaupte, dass ich ein Künstler bin. So ernst nehme ich mich nicht“, sagt der Villa-Blanka-Absolvent, der als Kind eigentlich davon träumte, Hotelmanager zu werden. Gekommen ist es anders.

ESCABECHE & EINGEWEIDE.

Gleich bei seinem ersten Praktikum im Gasthof Schupfen an der Brennerstraße entflammte nämlich Nudings Leidenschaft fürs Kochen. „Ich hab dort zwar überall anpacken müssen, aber in der Küche hab ich mich am wohlsten gefühlt: Mich hat die Atmosphäre fasziniert, die Geschwindigkeit, die Tatsache, dass man am Ende des Tages sieht, was man geleistet hat“, denkt er an den Beginn seiner Karriere zurück, die von großen Namen begleitet werden sollte. Als Jungspund nahmen ihn heimische Granden wie Johann Lafer und Johanna Maier unter ihre Fittiche, gelernt hat Nuding aber auch beim Jahrhundertkoch und Nouvelle-Cuisine-Wegbereiter Joël Robuchon sowie bei der französischen Koch-legende Pierre Gagnaire, der ihm nicht nur Lehrmeister, sondern auch (kulinarischer) Ziehvater war. Die Gagnaire-Handschrift hat sich in Nudings DNA eingebrannt. Davon überzeugen kann man sich bereits seit Mitte Juni in der zum Schwarzen Adler gehörenden Secco-Bar, wo im Bistro-Stil Köstlichkeiten wie Makrele „Escabeche“, Burratina „Nono Archimede“, Beef Tatar oder Auberginenkaviar aufgetischt werden und eine spannende Weinkarte spritzigen Savoir-Vivre-Esprit verströmt. Preislich geht’s hier erstaunlich niederschwellig zu. „Im Bistro will ich den Leuten die Hemmschwelle fürs Restaurant drüben nehmen“, erklärt Nuding. Was genau er dort dann zu welchem Preis auftischen wird, bleibt noch geheim. Nur so viel sei verraten: Fixe Karte wird es keine geben, kredenzt wird stets ein mehrgängiges Menü, das Großstadtflair in die Kleinstadt bringen soll.

Perfektionist Nuding will hier auf High-end-Produkte setzen und ist deshalb in ständigem Austausch mit einem ausgewählten Pool an Jäger:innen, Pilzsammler:innen, Fischlieferant:innen und Bäuerinnen und Bauern. „Letzte Woche hab ich ein Kitz aus Ampass auf der Karte gehabt. Der Lieferant war ein bisserl erstaunt, dass ich es im Ganzen – also auch mit Eingeweiden – haben wollte. Aber mir taugt es, wenn man von einem Tier tatsächlich alles verarbeitet.“ Dass er in Hall nun nicht mehr wie in London rund um die Uhr Produkte aus aller Welt angeliefert bekommen kann, wirft ihn übrigens nicht aus der Bahn. „Diesen Kompromiss gehe ich gerne ein: Die Freiheit hat eben ihren Preis“, meint er pragmatisch, ehe er vom Oktopus-Ceviche schwärmt, das er unlängst im Secco uftischte. Aber wo bitte kam der Achtfüßler her? „Ich hab da so meine Special Connections“, sagt der Kochgentleman. Und schweigt.

LIEBE GEHT DURCH DEN MAGEN.

Nur bedingt redseliger wird er, als er auf seine Leibspeise angesprochen wird. „Wie oll ich’s sagen: Ich mag alles.“ Echt alles? Nuding holt aus. „Heikel bin ich auf keinen Fall. Dafür respektiere ich die Produkte und die Leute, die kochen, viel zu sehr. Am liebsten mag ich es einfach: Wenn mir
jemand ein gutes Brot und einen feinen Schinken herstellt, den ich dann gemeinsam it netten Leuten genießen kann, ist das für mich das beste Essen.“ Gibt’s eigentlich auch etwas, was seine
Mama besser kochen kann als er? Da lacht der Starkoch. „Ja, natürlich! Meine Oma aber auch.“ Sagt’s und schwärmt von den Hackerknödeln seiner Großmutter, die es dereinst sogar auf die Speisekarte des Sketch geschafft haben. „Ich hab sie dann halt mit Ente und Gänsestopfleber
verfeinert. Aber das Grundrezept war von der Oma, die mir eingebläut hat, dass ich aaaaanz viel Zwiebel reingeben muss“, erzählt der Gourmet, der es genießt, zwischendurch auch einmal bekocht zu werden. „Wenn man nach einer 20-stündigen Reise gerädert zu Hause ankommt
und einen dann wer fragt: ‚Magsch no was essen?‘, geht einem das Herz auf“, sagt Nuding und verrät nun endlich seine Seelennahrung, die es wohl in keinem Sternerestaurant der Welt zu finden gibt. „Die Gerstlsuppe von meiner Mama ist schwer zu toppen.“

Und welches Kateressen würde er empfehlen? „Als ich noch jünger war und in Paris und Moskau gelebt habe, war ich schon viel am Weg. Aber spätestens als ich im Sketch angefangen habe, war mir klar, dass sich das mit der Ausgeherei nicht mehr ausgeht. Auf diesem Level darfst du dir keine Fehler erlauben. Deshalb hab ich in den letzten zehn Jahren höchstens zweimal einen Kater gehabt“, lässt der arbeitswütige Tiroler etwaige Fantasien von rauschenden Champagner-gelagen gar nicht erst aufkommen. Ein kulinarischer Tipp für Hangover-Tage ist ihm dann aber doch noch zu entlocken: „Eine französische Zwiebelsuppe richtet dich sofort wieder her. Die hat mir schon öfter als einmal das Leben gerettet.“

30. Juni 2022 | AutorIn: Christiane Fasching | Foto: Franz Oss

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