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So grün baut Tirol

„Die größte Hürde sind zweifellos die Veränderungsresistenz in der Bauwirtschaft und alle damit verbundenen gesetzlichen Regelungen und ökonomischen Anreizsysteme.“ Christoph M. Achammer

So grün baut Tirol

„Die größte Hürde sind zweifellos die Veränderungsresistenz in der Bauwirtschaft und alle damit verbundenen gesetzlichen Regelungen und ökonomischen Anreizsysteme.“ Christoph M. Achammer

Ressourcenintensive Wirtschaftszweige wie die Baubranche auf einen nachhaltigen  Weg zu bringen, ist ein ambitioniertes  Unterfangen. Wie es gelingen kann und warum  kein Weg daran vorbeiführt, erklärt Prof. Christoph M. Achammer, Vorstandsvorsitzender des  integralen Planers ATP architekten ingenieure.

Ob Wohnung oder Arbeitsplatz, ein anständiges Dach über dem Kopf zählt zu den elementaren Grundbedürfnissen des Menschen. Eine gute Zukunftsperspektive ebenso – einer der zahlreichen Gründe, aus denen Nachhaltigkeit aktuell ein drängendes Thema ist. In der Bauwirtschaft beißen sich die beiden Bedürfnisse: Die Branche verbraucht im großen Stil Ressourcen in Form von Energie, Rohmaterialien und Grund. Hinzu kommen Schutt und anderer Abfall, der später auf den Deponien landet.

„Darüber hinaus akzeptiert man bei Planung und Errichtung von Gebäuden 30 bis 50 Prozent Verschwendung an Zeit, Material und Kosten“, kritisiert Acham-mer, der sich intensiv mit Ressourcenschonung durch Integrale Planung beschäftigt.

Ungenutztes Potenzial

Für den Tiroler Architekten und langjährigen Universitätsprofessor an der TU Wien bedeutet grünes Bauen, an dieser Situation nachhaltig etwas zu ändern. Besonders die Problematik des Ressourcenverbrauchs im Bereich Grund und Boden schlägt sich in Tirol nieder, die bebaubaren Flächen sind rares Gut. Für  Achammer folgt daraus, dass grünes Bauen hierzulande ein vollkommen anderes Verständnis von Raumordnung und Umgang mit Flächen bedeute. Gleichzeitig betont er, dass die Tiroler Gegebenheiten auch einen Vorteil bergen: „Die lokalen Rahmenbedingungen sind hier prädestiniert für eine ausschließlich elektrische Zukunft von Gebäuden.“ Heizen, Kühlen, Lüften können also künftig rein durch mit Strom betriebene Anlagenlösungen erfolgen.

Verhaften in der  Vergangenheit

Dass ein konkreter Wandel nicht nur auf Gegenliebe stoßen wird, ist Achammer bewusst: „Die größte Herausforderung besteht sicher im Akzeptieren von disruptiven Änderungen in Kultur, Organisation und Prozessen des Bauens.“ Solche tiefgreifenden Vorgänge brauchen üblicherweise lange Zeitspannen – diese stehen nach Einschätzung des Unternehmers jedoch nicht mehr zur Verfügung. „Die größte Hürde sind zweifellos die Veränderungsresistenz in der Bauwirtschaft und alle damit verbundenen gesetzlichen Regelungen und ökonomischen Anreizsysteme“, bilanziert er. Was nicht heißt, dass es keine vielversprechenden Möglichkeiten gäbe. Für Achammer tun sich in drei Bereichen vergleichsweise schnelle Erfolgsmöglichkeiten auf: Reduktion von überbordenden Normen und Gesetzen, ein Ende der Spekulation mit Grund und Boden und umweltgerechte Raumplanung, die qualitative Verdichtung ermöglicht.

Alternativloser Schritt

Der Weg zur Nachhaltigkeit verspricht, holprig und konfliktbeladen zu sein. Warum muss eine gesamte Branche ihn dennoch beschreiten? „Wenn wir unseren Kindern und Kindeskindern ein lebenswertes Land hinterlassen wollen, geht an dieser Zielsetzung kein Weg vorbei“, erklärt Achammer. Dabei müsse jedoch klar sein, dass Neubau nur einen sehr begrenzten Beitrag liefern kann.

„In erster Linie wird es darum gehen, die bestehenden Strukturen unter den Prämissen der vier R der Immobilienindustrie – reduce, reuse, repair, recycle – zu verdichten und multifunktional zu machen, zu ertüchtigen oder rückzubauen“, analysiert der Architekt und ergänzt: „Darüber hinaus müssen wieder attraktive öffentliche Räume wie Straßen und Plätze entstehen, die kombiniert mit Grünanlagen den Menschen nutzbare Freiflächen zurückbringen. Damit verbunden sind alternative Mobi-litätskonzepte umzusetzen, die die entartete Nutzung dieser Räume durch Abstellen unserer Stehzeuge reduzieren.“

Technologie statt Verbot

Für eine radikale Wende in der Art, wie Bebauung gedacht wird, reiche das bestehende Anreizsystem laut Achammer aber nicht aus – würde es doch lediglich versuchen, Symptome zu bekämpfen, ohne die Ursachen anzugehen. „Ich denke, es besteht derzeit die große Chance, gerade in unserem Land, einen Systemwechsel herbeizuführen“, zeigt sich der Unternehmer vorsichtig optimistisch. Dabei plädiert er für die intelligente Nutzung der limitierten Ressourcen – Einschränkungen durch Verbote sieht er nicht als Mittel der Wahl. Stattdessen legt er seine Hoffnung auf Technologie und Innovationskraft als beschleunigende Faktoren. Mit dem Willen, diese auch zu nutzen, sei ein rascher Wandel möglich.

Hausgemacht

Als eines der führenden Planungsbüros Europas hat auch ATP einen gewissen Einfluss auf den Fortschritt in der Branche. Achammer erklärt, man habe schon vor 40 Jahren angefangen, intern die Kultur und die Prozesse zu verändern. Integrale Planung ist das dazugehörige Schlagwort: Inhouse werden Teams aus ArchitektInnen und IngenieurInnen für Tragwerksplanung und Gebäudetechnik gebildet. Das spart Zeit und ermöglicht einen ganzheitlichen Blick auf das Bauvorhaben, um ökonomische, ökologische und soziale Bedürfnisse im gesamten Bau besser abzubilden.

Grünes Bauen ist für Achammer auch eine Frage dessen, den nächsten Generationen ein lebenswertes Land zu hinterlassen.

Laut Achammer erleichtert das auch die Digitalisierung der Arbeitsweise mit BIM, die vor über zehn Jahren erfolgte. „So sind alle aktuellen Planungsprojekte im Gesamtumfang von über fünf Milliarden Euro als virtuelles Abbild der Wirklichkeit digital aufgebaut und können damit nach verschiedenen Kriterien – auch der Nachhaltigkeit – vor Baubeginn simuliert werden“, führt er aus. Da sich das Unternehmen mit dem ATP Green Deal zu klimaneutralem Planen und Bauen verpflichtet, wird jedes ATP-Projekt im Zuge des integralen Vorprojektes hinsichtlich seines CO2-Fußabdruckes an roter und grauer Energie analysiert. Diese Daten ermöglichen ATP und seinen AuftraggeberInnen, weitere Planungsschritte mit solider Entscheidungsgrundlage festzulegen.           

ATP Green Deal

ATPs Antwort auf den European Green Deal als größter Treiber für PlanerInnen und Auftrag­geberInnen, da er die künftige Wertentwicklung von Immobilien festschreibt.

  • Graue Energie
    entsteht bei Herstellung, Transport, Lagerung, Verkauf und Entsorgung der Materialien.
  • Rote Energie
    entsteht durch den Gebäudebetrieb.

Zum Unternehmen

  • ATP architekten ingenieure
    Integrales Planungsbüro Headquarter in Innsbruck
  • 1.200
    MitarbeiterInnen
  • 12
    Standorte in  DACH + CEE
  • Seit
    2012

Zur Person

Architekt Univ.-Prof. Christoph M. Achammer ist Vorstandsvorsitzender von ATP architekten ingenieure und lehrte von 2002 bis 2022 als  ordentlicher Universitätsprofessor am Institut für Integrale Bauplanung  und Industriebau der Technischen Universität Wien.

02. April 2023 | AutorIn: Theresa Kirchmair | Foto: ATP/Becker

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