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Medizin-Innovation

Gedruckte Organe für chirurgische Perfektion

Medizin-Innovation

Gedruckte Organe für chirurgische Perfektion

Schwierige chirurgische Eingriffe werden in Österreich bislang an KörperspenderInnen erlernt und geübt. Mittlerweile ist die 3D-Druck-Technologie aber so weit fortgeschritten, dass gedruckte „Organe“ Studierenden sowie ÄrztInnen bald eine weitere Möglichkeit bieten könnte, um ihr Können zu erlernen und zu perfektionieren.

Um neue chirurgische Techniken zu erlernen und schon gelernte zu perfektionieren, sind angehende und bereits promovierte ÄrztInnen bislang auf Körperspenden angewiesen. „Dabei sind wir in Tirol im Vorteil“, berichtet Marko Konschake, Direktor des Departments für Anatomie, Histologie und Embryologie und des Instituts für Klinisch-Funktionelle Anatomie an der Medizinischen Universität Innsbruck. Denn das Institut erhält jedes Jahr rund 180 Spenden von Menschen, die ihren Körper nach ihrem Ableben der Wissenschaft vermachen. „In vielen anderen Ländern wie Italien gibt es ein solches Körperspenden-System gar nicht.“ Dort können ÄrztInnen zwar grundlegende Techniken an Tierkörpern oder in Simulationen üben, den wirklichen Eingriff an einem Menschen aber nur in der Praxis.

Zusätzliches Training

Ein Engpass an Körperspenden herrsche in Tirol in absehbarer Zukunft nicht, versichert Konschake. „Dennoch sind die Übungs-Möglichkeiten beschränkt. Und bei einem gespendeten Körper kann natürlich nur das trainiert werden, was die Anatomie des Spenders oder der Spenderin eben zu bieten hat.“ Wollen ChirurgInnen sich also auf einen speziellen Eingriff vorbereiten, ist das nur möglich, wenn ihnen ein entsprechender Körper zur Verfügung steht. Abhilfe schaffen könnte 3D-Druck. Denn mittlerweile ist die Technologie weit fortgeschritten. Damit rückt die Herstellung von Übungs-Organen und anatomischen Strukturen in greifbare Nähe, die haptisch – also darin, wie sie sich anfühlen, wie sich das künstliche Gewebe verhält, wenn es mit einem Skalpell geschnitten oder mit einer Naht versehen wird und mehr – nahezu ident mit der Vorlage sind. Dieses Potenzial erforscht die Medizinische Universität Innsbruck seit vergangenem Herbst gemeinsam mit dem MCI, der Standort Agentur Tirol sowie den beiden Tiroler Unternehmen Eyecre und Addion.

Herausfordernder Einstieg

Im ersten Schritt befasst sich das Projekt mit der Herstellung künstlicher Augenlider. Dass die Wahl auf genau dieses Körperteil gefallen ist, war dabei ebenso Zufall wie eine Herausforderung, erzählt Konschake: „Eyecre hat langjährige Erfahrung in der Entwicklung und Herstellung von Modellen des Auges“, meint er. „Da war es naheliegend, dort anzufangen. Zugleich ist das Lid aber auch eine sehr komplexe Struktur, das sich aus acht Schichten verschiedener Gewebstypen wie Haut, Muskeln, Fett und Knorpel zusammensetzt. Wenn uns das gelingt, sollten andere Organe also auch machbar sein.“

Multidisziplinär

Aktuell sammeln die Wissenschaftler vor allem Daten und produzieren erste Prototypen. Dazu dienen Augenlider von Körperspenden, die erst präpariert und deren einzelne Schichten dann am MCI mit einem sogenannten Texture Analyzer untersucht werden. „Das sind Geräte, die in den Materialwissenschaften zum Einsatz kommen, um physikalische Eigenschaften wie Dicke, Flexibilität, Dehnbarkeit verschiedener Stoffe zu messen“, erklärt Konschake. Diese Daten werden dann von Eyecre bereinigt und weiterverarbeitet. Addion stellt schlussendlich die eigentliche Drucktechnologie zur Verfügung: Das Unternehmen betreibt einen, speziell für anatomische Modelle entwickelten Multimaterialdrucker, der verschiedenste Kunststoffe in wenigen Mikrometer dünnen Schichten zu einem Modell verarbeitet, das dank der Messdaten der Haptik des echten Körperteils extrem nahekommt.

Bis aufs Blut

Das Resultat ist bereits beeindruckend. Die Modelle bestehen aus einem harten Augapfel, über das sich das aus flexiblem, weichem Kunststoff gedruckte Augenlid spannt. In das künstliche Gewebe wird sogar Flüssigkeit eingebettet, die Blut simuliert. Und auch anatomische Strukturen wie die Augenbändchen, die die Lider „straff“ halten, werden abgebildet. „Operationen am Augenlid sind grundsätzlich eher häufig, aber auch recht diffizil, weil auf engem Raum und sehr nahe am Augapfel operiert wird“, erklärt Konschake. „Dementsprechend hilfreich ist es, solche Eingriffe häufig üben zu können.“

 

  • Gedrucktes Augenlid

    Die 3Dgedruckten Modelle kommen echten Augenlidern haptisch sehr nahe.

  • Augenlid Operation

    Die Modelle können in der Ausbildung als Ergänzung zu Spender-Körpern dienen.

  • Operation Übung

    ÄrztInnen haben so die Möglichkeit, Eingriffe zu lernen und häufiger zu üben.

  • Übungs Operation Augenlid

    Beim Eingriff verhält sich das Lid fast genau so wie ein echtes.

Maßgeschneidert

Aktuell ist das Projekt auf zwei Jahre ausgelegt. Bis dahin haben die ForscherInnen vor, ein nahezu perfektes anatomisches Modell des Augenlids und des umliegenden Gewebes zu entwickeln. Darin können, ganz nach Bedarf auch verschiedene pathologische Veränderungen wie Gersten- oder Hagelkörner oder auch Tumore eingebettet werden. Der Druck eines solchen Modells nimmt maximal eine Stunde in Anspruch und auch die Kosten sind überschaubar. „Sowohl für Studierende als auch für promovierte ÄrztInnen wäre das ein großer Vorteil“, ist der Mediziner überzeugt.

Ein Organ nach dem anderen

Dabei ist das Auge erst der Anfang. Ist der komplexe Aufbau des Lids einmal gemeistert, sind auch Nachbildungen anderer Organe in greifbarer Nähe. „Eine Schilddrüse oder eine Leber sind zwar mitunter größer. In ihrem Aufbau sind sie aber anatomisch betrachtet oft einfacher. Es wäre also durchaus denkbar, auf kurz oder lang verschiedenste Organe zu Übungszwecken nachzubilden.“ Das würde bei der Ausbildung von MedizinerInnen in Österreich sehr hilfreich sein – allerdings nur als Ergänzung zur Lehre an Körperspenden. Denn diese sind Konschake zufolge gerade in der Ausbildung nicht ersetzbar.

Weiter gedacht

Neben ChirurgInnen könnte die Technologie auch bald ProthesenträgerInnen zugutekommen. Denn die eingesetzten Materialien kommen nicht nur in ihrer Haptik dem Original sehr nahe, sondern können auch mit lebensechten Farben gedruckt werden. Damit könnte die Herstellung individuell angepasster plastischer Prothesen, die insbesondere im Gesichts-Bereich die Lebensqualität von PatientInnen nach schweren Unfällen oder Eingriffen enorm erhöhen können, nicht nur präziser und schneller, sondern auch kostengünstiger werden.
Zusätzliche Nachfrage nach der Möglichkeit gedruckter „Übungs-Organe“ dürfte zudem außerhalb Österreichs zu finden sein. Denn: „Ein Körperspendenprogramm in einem Land aufzubauen, in dem es noch keines gibt, ist sehr schwierig“, weiß Konschake. „Es wäre also gut denkbar, dass unsere KollegInnen zum Beispiel in Italien mit einer solchen Technologie ihre Ausbildung noch einmal deutlich aufwerten könnten.“

 MarkoKonschake

Marko Konschake ist seit Dezember 2020 Professor für Angewandte Anatomie an der Medizinischen Universität Innsbruck und steht als Direktor dem Department für Anatomie, Histologie und Embryologie sowie dem Institut für Klinisch-Funktionelle Anatomie vor.

25. März 2024 | AutorIn: Daniel Feichtner | Foto: Konschake

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