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Die Investorin

Als Geschäftsführerin von Tirols erstem Risikokapitalfonds will Jasmin Güngör Innovation und Hochtechnologie vorantreiben.

Die Investorin

Als Geschäftsführerin von Tirols erstem Risikokapitalfonds will Jasmin Güngör Innovation und Hochtechnologie vorantreiben.

Jasmin Güngör leitet Tirols ersten Risikokapitalfonds Onsight Ventures+. Im Interview erzählt sie über ihren Weg in die Finanzbranche und ihre Arbeit als Geschäftsführerin und Investorin.

Sie beschäftigen sich seit Ihrem Studienabschluss an der Universität Innsbruck mit Crowdinvestment, Deeptechnologie und Blockchain. Woher rührt dieses Interesse?

Als ich 2012 mein Studium der Internationalen Wirtschaftswissenschaften beendet habe, hat mir mein Diplomarbeitsbetreuer die neue Biografie über Steve Jobs empfohlen. Und obwohl ich ja Wirtschaft studiert habe, war es für mich das erste Mal, dass ich verstand, was Unternehmertum ist. Das war ein Augenöffner für mich – es hat mich so sehr begeistert, dass ich in meinem beruflichen Leben dem Thema Start-up nachgehen wollte.

Sie führen einen Investmentfonds, der sich an innovativen Start-ups beteiligt. Wie kann man sich Ihre Arbeit vorstellen?

Das Kerngeschäft eines Fonds ist, dass man spannende Investments identifiziert sich beteiligt und im Rahmen einer Laufzeit diese Beteiligungen wieder veräußert – sodass man den Investoren, die dem Fonds das Kapital zur Verfügung stellen, auch entsprechende Rendite zurückgibt. Wir spezialisieren uns auf Investments in Start-ups aus dem Bereich Hochtechnologie – wo wir das Gefühl haben, es ist etwas Einzigartiges, das Potenzial hat, internationale Märkte zu besetzen. Unser Anspruch ist, in Tirol als erster Risikokapitalfonds zu wirken, Know-how zu transferieren und Inspirationsgeber für junge Menschen zu sein.

Die Wirtschaftswelt ist vorwiegend weiß und männlich. Wie fühlen Sie sich als Frau an der Spitze?

Ich habe immer in männerdominierten Umfeldern gearbeitet, aber das nie als schlimm empfunden. Ich habe mich immer als gut aufgenommen und akzeptiert gefühlt. Aber es ist wichtig, dass Frauen mehr Stärke zeigen und vorne stehen wollen. Ich glaube, dass gemischte Teams anders denken: Männer können von Frauen lernen und umgekehrt. Daraus entsteht für mich ein gelungener Mix.

Haben Sie in Ihrer Karriere Widerstand erlebt?

Ich glaube, dass Männer nicht im Weg stehen. In meiner Karriere waren die Türen offen, ich musste keine Wände einreißen. Ich habe in der beruflichen Welt auch nie Rassismus aufgrund meines Hintergrundes – mein Vater ist Türke, meine Mutter Tirolerin – erlebt. Das bestärkt mich, dass die Welt bereit ist für mehr Diversität.

Welche Qualitäten zeichnen Sie als weibliche Investorin und Geschäftsführerin aus?

Für mich ist wichtig, dass ich hinter dem stehe, was ich sage. Egal ob Deadline oder Dinge, die ich oder wir als Team umsetzen – das muss auch realistisch möglich sein. Ich glaube, dass nachhaltige Beziehungen zu Investoren und Portfoliounternehmen entscheidend sind für langfristigen Erfolg.

Wie kann es gelingen, dass mehr Frauen in die Finanzbranche kommen?

Das ist ein gesellschaftlicher Prozess, den man anstoßen muss. Es hängt viel mit der Bildung, vor allem Finanzbildung, zusammen. Man muss schon im frühen Alter schauen, dass Mädchen sich für diese Themen begeistern. Da ist die Lücke, warum Frauen weniger in der Finanzbranche vertreten sind.

Was müssen Frauen mitbringen, wenn Sie in einem männerdominierten Umfeld Erfolg haben wollen?

Wichtig ist, eine eigene Meinung zu haben und Dinge kritisch zu hinterfragen. Wenn man die richtigen Fragen stellt, gewinnt man den Respekt aus dem Team und von Vorgesetzten.

Hat es Sie nie gereizt, mit Ihrer Expertise im Ausland zu arbeiten?

Ich war nach dem Studium einige Jahre in Wien und Deutschland. Aber ich bin in Tirol verwurzelt, ich will hier etwas aufbauen. Die Entscheidung, es hier schaffen zu wollen, hat sich positiv ausgewirkt, und ich bin glücklich darüber.

Wo sehen Sie sich in fünf Jahren?

Ich würde mich freuen, wenn wir mit dem Fonds wachsen, einen zweiten Fonds raisen und zeigen können, dass das, was wir machen, funktioniert. Auch wenn Risiko im Namen steckt: Sieht man sich Statistiken und Durchschnittswerte an, sieht man, dass Risikokapital besser funktioniert als andere Asset-Klassen. Gerade in Zeiten der Nullzinspolitik, die Menschen müssen sich mehr mit der Geldanlage beschäftigen.

Nicht jeder Leser kann Hunderttausende Euro in einem Fonds anlegen. Wo würden Sie in Zeiten wie diesen 5.000 Euro investieren?

Wir kaufen Beteiligungen an Unternehmen, und Aktien sind auch nichts anderes. Man sollte sich langfristig ein Portfolio aufbauen und schon jung anfangen. Die Beschäftigung mit Investments ist eine gute Erfahrung, auch wenn es nicht immer gut läuft. Man lernt aus Fehlern und merkt, dass mit der Komponente Zeit aus ein paar tausend Euro weit mehr werden kann.

Welche Rolle haben Risikokapitalfonds in unsicheren Zeiten wie diesen?

Ein Fonds veranlagt Geld von Investoren in Unternehmen und schafft darüber Arbeitsplätze und Wirtschaftswachstum. Wir werden aller Voraussicht nach hauptsächlich im DACH-Raum investieren, können aber in ganz Europa tätig sein. Das Geld fließt in die Wirtschaft, dahin, wo Innovation entsteht. Ich glaube, dass Innovation in Europa der Schlüssel ist. Wir müssen unabhängiger von den USA und China werden. Am Aktienmarkt ist keine der Top-10-Aktien ein europäischer Player – das ist sicherlich ein Warnsignal, dass wir mehr machen müssen.

Es haben sich bereits namhafte Unternehmer wie Ingeborg Freudenthaler oder Alfred Della Torre mit Einlagen beteiligt. Welche Investoren wollen Sie noch an Bord holen?

Wir haben eineinhalb Jahre Zeit, um Fundraising zu betreiben. Wir sind für Tirol sicher sehr attraktiv. Wir haben gute Unternehmer und Hoteliers im Land: Das sind potenziell alles Personen, die statt der Anlegerwohnung auch mal in ein Portfolio investieren könnten.

Was bringt es Unternehmen, ein Investment bei Onsight Ventures+ zu tätigen?

Erstens: Verschiedene internationale Statistiken zeigen, dass Investments in Risikokapitalfonds andere vergleichbare Anlageklassen durchaus outperformen können. Zweitens: Das Geld beginnt sofort zu arbeiten. Das Geld fließt direkt in junge Firmen, die einen Plan in der Schublade haben, wen sie einstellen und was sie umsetzen. Man bekommt mit, wo Innovation passiert. Wir sind ja keine Black Box, es gibt quartalsweise Reporting und Jahresberichte. Ich traue mich zu sagen: Wir können mit unserer Erfahrung informierte Investmententscheidungen treffen.

Was wollen Sie ein Jahr nach der Gründung von Onsight Ventures+ erreicht haben?

Wir wollen die ersten Investments tätigen. Bei vielen Firmen können sich die Gründer aussuchen, mit welchen Investoren sie zusammenarbeiten. Bis Jahresende wollen wir fünf bis zehn Investments vorzeigen, auf die wir stolz sind und die sich gut entwickeln. Sodass auch Investoren, die später zu uns stoßen, ein gutes Bild von unserer Arbeit bekommen.

GLOSSAR

  • Crowdinvestment: Finanzierungsform, bei der sich mehrere Investoren an einem meist jungen Unternehmen beteiligen und Startkapital bereitstellen.
  • Deeptechnologie: Unternehmen, die auf Basis wissenschaftlicher oder technischer Erkenntnisse oder Innovationen beruhen.
  • Blockchain: Chronologische, digitale Datenbank, die mittels kryptografischer Verfahren Transaktionen und Vermögenswerte aufzeichnet; Basistechnologie der Kryptowährung Bitcoin.
  • Start-up: Neu gegründetes Unternehmen mit innovativer Geschäftsidee und hohem Wachstumspotenzial.
  • Risikokapital (Venture Capital): Mittel, die zum Expandieren und Umsetzen innovativer, mit Risiko behafteter Projekte dienen. Investoren beteiligen sich mit Risikokapital zeitlich und finanziell begrenzt an Start-ups.
  • Hightech: Unternehmen, die auf neuen und/oder innovativen Geschäftsmodellen beruhen.
  • Hochtechnologie: ist eine Produkt-, Finanz- oder sonstige Innovation, die ein Unternehmen früher als andere Marktteilnehmer anbietet.
  • Spin-offs: wandeln universitäre Forschung oder Erfindung in ein Unternehmen um.
  • Seed-Phase: ist die frühe Gründungsphase, in der nur der Prototyp des Produkts oder der Dienstleistung vorhanden ist und die Unternehmensgründung vorbereitet wird.
    Start-up-Phase: umfasst die Schritte von Gründung bis Markteinführung.
  • Scale-up: beschreibt die Phase, in der das Start-up zu einem Unternehmen mit Wachstum wird.
  • Exit: Der Verkauf hat sich als Unternehmensziel in der Start-up-Szene entwickelt. Die GründerInnen verkaufen ihre Anteile und steigen aus der Firma aus.

ÜBER ONSIGHT VENTURES+

Info zur Person

  • Alter: 34
  • Ausbildung: Internationale Wirtschaftswissenschaften und Europäische Ethnologie
  • Fachgebiete: Venture Capital, Deeptech, Blockchain, Fundraising
  • Bisherige Stationen: u. a. Hermann Hauser Investment GmbH, DonBosco Finanzierungs GmbH
  • Ich bin: abenteuerlustig, dynamisch, kreativ
  • Ich habe immer im Büro: AirPods Pro, großes Wasserglas, Lieblingskugelschreiber

 

27. März 2022 | AutorIn: top.tirol Redaktion |

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