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Eine neue (Arbeits-)Welt

Torben Lohmüller ist Partner bei Dark Horse Innovation. Das Berliner Unternehmen berät Organisationen und Betriebe bei Innovationsfragen. Lohmüller ist Spezialist auf dem Gebiet New Work.

Eine neue (Arbeits-)Welt

Torben Lohmüller ist Partner bei Dark Horse Innovation. Das Berliner Unternehmen berät Organisationen und Betriebe bei Innovationsfragen. Lohmüller ist Spezialist auf dem Gebiet New Work.

Viele stellen sich unter New Work einfach nur mobiles Arbeiten vor. Worum es bei dem  Arbeitskonzept wirklich geht und wieso wir eine neue Form der Arbeit brauchen, erklärt Torben Lohmüller.

Können Sie in drei Sätzen erklären, was New Work bedeutet?

TORBEN LOHMÜLLER: Mit New Work meinen wir ein agiles Vorgehen bei Projekten. Einen iterativen Prozess, bei dem wir immer wieder neu an Prototypen arbeiten und diese anhand von Feedback weiterentwickeln. Auf Strukturebene bedeutet es selbstorganisierte Teams. Und schließlich kulturell, dass Menschen nicht nur als Rollen auf der Arbeitsbühne auftreten, sondern als ganze Menschen dort sein dürfen.

Und was bedeutet das für ArbeitnehmerInnen konkret?

Zum einen, dass ich Produkte, Dienstleistungen und Prozesse, an denen ich arbeite, kontinuierlich bewerte und immer wieder darauf schaue, was ich aus der Vergangenheit lernen kann, um sie weiter zu verbessern. Zum anderen, dass Mitarbeitende und Teams mehr Eigenverantwortung besitzen. Flache Organisationsstrukturen statt traditioneller Hierarchie. Und schließlich, dass die Grenze zwischen Privatleben und Arbeit verschwimmt. So wird Privates vielleicht manchmal mehr auf die Arbeit getragen, als wir das in klassischen Organisationen tun. Das passt nicht für jeden, es sind aber wichtige Bestandteile.

Das heißt, New Work ist mehr als Homeoffice und 4-Tage-Woche?

Diese Punkte haben etwas mit Selbstbestimmung und Eigenverantwortung zu tun. Man gesteht den Mitarbeitenden zu, dass sie die Entscheidung darüber, wo und wie sie am besten arbeiten, selbst treffen können. Ich glaube, wir haben in der Pandemie gesehen, dass MitarbeiterInnen zu Hause sehr produktiv sein können und manchmal sogar besser arbeiten als im Büro. Für manche Tätigkeiten ist es wiederum besser, zusammenkommen zu können. Aber sicherlich ist New Work mehr als eine Homeoffice-Regelung.

Warum brauchen wir New Work? Funktionieren klassische Top-Down-Hierarchien nicht mehr?

Klassische Hierarchien nach dem Motto „Oben wird gedacht, unten wird gemacht“ funktionieren in stark standardisierten, stabilen Umgebungen noch recht gut. Nur wenn sich die Rahmenbedingungen ständig ändern und ich immer wieder neu justieren muss, sind solche Strukturen relativ schwerfällig und wenig anpassungsfähig. New-Work-Ansätze sind wesentlich agiler. Außerdem haben Menschen einfach keine Lust mehr, in solchen starren autoritären Strukturen zu arbeiten und zu leben. Die Ansprüche insbesondere der jüngeren Generationen haben sich im Vergleich zu vor 30 bis 40 Jahren stark gewandelt. Materieller Erfolg ist nicht mehr das wesentliche Ziel einer Gesellschaft. Sinnerfüllung steht heute im Vordergrund.

Wie steht es um Branchen, die eher von traditionellen Arbeitsformen geprägt sind, wie Tourismus oder Einzelhandel? Bleiben die auf der Strecke?

Es gibt tolle Beispiele, wie sich auch der Einzelhandel transformieren kann. Zum Beispiel die Drogeriemarktkette DM. Die haben schon in den 1990er-Jahren, als New Work noch nicht en vogue war, begonnen, die Strukturen stark zu dezentralisieren. Filialen konnten damals schon selbst entscheiden, wo sie welche Produkte platzieren wollen, weil die MitarbeiterInnen vor Ort am besten wissen, was die Kundschaft will. Beim Tourismus kenne ich Beispiele aus Spanien und Portugal, wo Mitarbeitende in Krisenzeiten die Leitung von Hotels übernahmen, nachdem das Management abgetreten war – und das sehr erfolgreich.

Gibt es dabei auch einen Haken?

Eigenverantwortung der Mitarbeitenden setzt natürlich voraus, dass sie nicht einfach in einen Raum geworfen werden und man sagt „Jetzt macht mal“. Sie müssen befähigt werden, mit den neuen Freiheiten umzugehen. Dieser Punkt wird häufig übersehen. Oft scheitern New-Work-Projekte daran, dass MitarbeiterInnen nicht richtig eingeschult wurden. Am Ende heißt es, New Work funktioniere nicht, die Menschen wollen das nicht.

Was können sich ArbeitnehmerInnen trauen zu fordern?

So etwas wie Homeoffice ist mittlerweile Standard. Ich finde die Frage „Wo kann ich mich aktiv einbringen und mitgestalten?“ sehr wichtig. Außerdem sollten Möglichkeiten der fachlichen und persönlichen Weiterentwicklung geboten werden.

Könnte man sagen, dass sich das Kräfteverhältnis zwischen Arbeitgeber und ArbeitnehmerInnen gewandelt hat?

Das hat sich in den letzten 30 bis 40 Jahren aufgrund des demografischen Wandels und des Fachkräftemangels sicherlich zugunsten der ArbeitnehmerInnen verschoben. Es gibt heute viele offene Stellen für zu wenige Fachkräfte. Mittlerweile ist es so, dass sich BewerberInnen den Arbeitgeber aussuchen können. Früher war es umgekehrt.

Wie wird sich das Thema in Zukunft entwickeln?

Das hängt davon ab, was wir anstreben. Ich glaube, dass die Frage, welche Welt wir unseren Enkelkindern hinterlassen wollen, eine große Rolle spielen wird.

New Work

Die Theorie von New Work wurde bereits Mitte der 1970er-Jahre vom österreichischamerikanischen Sozialphilosophen Frithjof Bergmann entwickelt und ist ein Sammelbegriff für moderne Arbeitskonzepte. Im Zentrum steht die Frage, wie man Arbeit zukunftsweisend und sinnstiftend gestalten kann. New Work gilt als Gegenpol zum klassischen
tayloristischen Unternehmensmodell und Kapitalismus.

  • New-Work

    MitarbeiterInnen sollen sich im New-Work-Konzept eigenverantwortlich organisieren können.

30. Oktober 2022 | AutorIn: Denis Pscheidl | Foto: Anette Lohmüller, Lydia Hersberger

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